Der Maskenball
"Die schlimmsten Wunden werden einem innerhalb der Familie beigebracht."
"Denkst du da an deinen Vater?"
"Das liegt nahe. Schließlich habe ich mein Leben lang versucht, in seinen Augen etwas darzustellen und Anerkennung von ihm zu bekommen", gestand sie schroff.
"Jeder versucht, von seinen Eltern Anerkennung zu bekommen."
Als sein Blick auf ihre Hand fiel, verspannte sie sich und ließ sie schnell sinken. Gequält dachte sie daran, dass er offenbar nur im Bett körperliche Nähe zu ihr wünschte.
"Aber ich habe versucht, etwas zu bekommen, das mir immer verwehrt sein sollte. Ich glaube nicht, dass mein Vater mich je angesehen hat, ohne zu bedauern, dass ich nicht der Sohn war, den er sich gewünscht hatte ... Das hatte zur Folge, dass ich mir noch mehr Mühe gegeben habe."
Luca nahm ihre Hand und drückte sie. "Hast du deswegen den Adorata-Ring genommen?" fragte er rau und sah sie eindringlich an. "Wolltest du damit das Familienerbe retten?"
Darcy wurde aschfahl. Wieder einmal hatte sie vergessen, was zwischen ihnen stand, und ihm eine Angriffsfläche geboten.
"Offenbar hast du deinen Vater belogen. Er mag dominant und aggressiv gewesen sein, aber er stand im Ruf, sehr ehrlich zu sein. Hast du ihm erzählt, du hättest den Ring für ein Ei und ein Butterbrot in einem Trödelladen erstanden?" hakte er ungerührt nach.
Als in der Eingangshalle eine Tür geöffnet wurde, wirbelten sie beide herum. Eine schlanke, sehr attraktive junge Frau mit schulterlangem Haar stand auf der Schwelle und musterte sie mit eisiger Miene.
"Ich habe nicht die Absicht, den ganzen Abend darauf zu warten, dass du zum Essen erscheinst, Luca", erklärte sie sarkastisch. "Warum hast du mich überhaupt eingeladen?"
"Weil ich dachte, dass du Darcy kennen lernen möchtest. Es tut mir Leid, dass wir dich haben warten lassen", erwiderte Luca ruhig.
Daria lachte humorlos. "Warum hast du mich nicht mit ihr bekannt gemacht, bevor du sie geheiratet hast?"
"Ich habe einige Male auf deinen Anrufbeantworter gesprochen. Du rufst ja nie zurück."
Sie wirkte aggressiv und verletzlich zugleich. Allerdings hatte ihr großer Bruder auch eine Fremde geheiratet. Man kann es ihr nicht verdenken, dass sie sich so feindselig gibt, dachte Darcy. Sie befreite sich aus Lucas Griff und ging zu ihr. "Es ist Ihr gutes Recht, wütend zu sein. Und ich weiß nicht, wie ich Ihnen erklären soll, wie ..."
"Warum wir Hals über Kopf geheiratet haben", ergänzte Luca, während er die Tür zum Esszimmer weit öffnete. Der warme Schein zahlreicher Kerzen erhellte den festlich gedeckten Tisch. "Viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen."
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass du etwas Übereiltes tust, ohne einen guten Grund dafür zu haben", stichelte Ilaria. "Hast du sie geschwängert?"
Darcy erstarrte, zwang sich jedoch, auf dem Stuhl Platz zu nehmen, den Luca ihr zurechtgerückt hatte. Während er leise etwas auf Italienisch zu seiner Schwester sagte, das ausgesprochen eisig klang, errötete Darcy schuldbewusst und senkte den Blick. Allerdings wollte sie ihm dabei helfen, zu verhindern, dass sein Verhältnis zu seiner Schwester noch schlechter wurde.
"Wir haben in aller Stille geheiratet, weil mein Vater vor kurzem gestorben ist", erklärte sie unvermittelt. "Ich muss zugeben, dass es ziemlich impulsiv war ..."
"Impulsiv? Luca?" höhnte Ilaria. "Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Er plant immer alles bis ins kleinste Detail."
"In diesem Fall hat er es aber nicht getan", erwiderte Darcy leise. "Aber es war egoistisch von uns, ohne unsere Familien zu heiraten."
"Ihre Familie war auch nicht dabei?" Ilaria wirkte sichtlich getröstet. "Wo habt ihr euch kennen gelernt... und wann?"
"Das ist eine lange Geschichte ..." begann Luca.
Doch Darcy ließ ihn nicht ausreden, da es ihrer Meinung nach besser war, Ilaria die Wahrheit zu sagen. Schließlich war sie seine Schwester.
"Ich habe Ihren Bruder vor drei Jahren bei einem Maskenball hier im Palast kennen gelernt", informierte Darcy sie und lächelte zaghaft.
Zu ihrer Verblüffung atmete Luca, der zu ihrer Linken saß, scharf aus und warf ihr einen verzweifelten Blick zu. Ilaria wurde trotz ihres dunklen Teints blass und sah sie entsetzt an.
"Anscheinend bin ich ..."
"Ins Fettnäpfchen getreten", beendete er grimmig den Satz für sie.
Im selben Moment, als Darcy bewusst wurde, dass Ilaria von dem Diebstahl unterrichtet sein musste und nun eine Erklärung von ihnen verlangen würde, sprang diese auf, wich vom Tisch
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