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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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saßen im Lehrerzimmer. Mit Blick auf eine Zimmerlinde fanden hier die Zeugniskonferenzen statt, an dem Tisch, auf denUrsula sich mit dem linken Ellenbogen stützte, wurde entschieden, wer versetzt wurde und wer nicht.
    «Hat es an der Münchner Uni nicht kürzlich Unruhen gegeben?» – «Ich habe davon gehört. Aber Unruhen gibt es in anderen Universitätsstädten auch. Die Studenten wollen sich nicht mehr bevormunden lassen. Das finde ich gut. ‹Unter den Talaren …›», sie lachte wieder. «Die Professoren sollten sich auf einen Dialog einlassen. Ich an deiner Stelle würde … Aber was rede ich. Du wirst schon deine Erfahrungen machen.»
    Ursula hörte nicht auf ihre Mutter, die ihr einreden wollte, sie solle das Geld von Bernhard ihr geben. Noch bevor es zum Streit kam, und ohne sich von ihren Geschwistern zu verabschieden, packte sie ihre Siebensachen und verließ ohne einen Anflug von Trauer das Haus, in dem sie aufgewachsen war, aber kaum einen glücklichen Tag verbracht hatte.
    ***
    Als Ursula in München aus dem Zug stieg, lag, von ihr unbemerkt, eine nervöse Unruhe in der Luft. Straßenkehrer fegten den Bahnhofsvorplatz, Taxis warteten auf Fahrgäste, vom Rathausturm ertönte das Glockenspiel, vor den Cafés saßen Leute in der noch blassen Sonne, ein Krankenwagen zwängte sich laut hupend an der vor einer Ampel wartenden Autoschlange vorbei. Alles schien so, wie sie es sich vorgestellt hatte. In einem Informationsbüro hatte sie sich die Adresse einer Pension und einen Stadtplan besorgt, überquerte jetzt einen Platz, der nach einem zu seiner Zeit berühmten Maler benannt war, und hatte nur die eine Sorge, ob nämlich der Griff ihres Koffers aus Presskarton bis zum Ziel halten würde. Sie achtete nicht auf die unauffällig geparkten grünen Autos und nicht auf die Wachmänner vor den Bankhäusern. Ursula kam vom Land, sie konnte nicht unterscheiden, was normaler Großstadtalltag warund was Vorzeichen eines Ausnahmezustandes waren. Nur dass an allen großen Kreuzungen Polizisten standen und paarweise durch das Zentrum patrouillierten, machte sie stutzig. In Birkenfeld gab es zwei Polizisten, die sie beide mit Namen kannte. Sie hielten morgens und mittags die Autos an, damit die Schulkinder die Hauptstraße sicher überqueren konnten.
    Während sie im Gästehaus Karnitzer das Meldeformular ausfüllte und eine Kammer mit Blick auf einen Balkon mit vertrockneten Topfpflanzen bezog, die nur mindestens für eine Woche zu haben war und im Voraus bezahlt werden musste, während sie auf dem Bettrand saß und überlegte, wo sie ihr Bargeld hinstecken sollte, um es vor Taschendieben zu schützen, ging ein Hauptwachtmeister mit dem Rektor durch das Unigebäude, um zu besprechen, wie die Eingänge gesichert werden könnten. Die Polizei war in Alarmbereitschaft, sie erwartete eine Protestkundgebung linker Gruppen. Aus dem Umland hatte sie Verstärkung angefordert, sie zeigte Präsenz. Die Stimmung war gewittrig, von Lastwagen wurden Absperrgitter geladen, Durchgänge blockiert. Ältere Bewohner von Schwabing zogen es vor, zu Hause zu bleiben, die Hunde verkrochen sich wie vor einem Unwetter in den Hauseingängen.
    Ursula beschloss, eine Postkarte zu kaufen, die sie ihrem Vater schicken wollte. Es gab zwar noch nichts zu berichten, außer, dass die Zugfahrt gut verlaufen war. Sie könnte ihm gute Besserung wünschen, dass sie sich um ihn Sorgen machte, mochte sie ihm nicht schreiben. Schon die Anrede war ein Problem: Erwartete er ein «Lieber Bernhard»? «Lieber Vater» klang zu steif, aber ihn mit «Mein lieber Papa», mit der Betonung auf der zweiten Silbe, anzusprechen, traute sie sich nicht.
    Mit diesen Gedanken beschäftigt, ging sie zum Universitätsviertel, die Route hatte sie sich vorher auf dem Stadtplan so zurechtgelegt, dass sie an der Mensa und der Bibliothek vorbeikam. Siewollte nur die Gebäude in Augenschein nehmen, ihren zukünftigen Arbeitsplatz. Hier würde sie studieren, hier war der Ort, um den all ihre Zukunftserwartungen kreisten. Morgen würde sie sich ein Vorlesungsverzeichnis kaufen, als Erstes die Veranstaltung von Professor Wickenburg in einen Wochenkalender eintragen und sich immatrikulieren. Sie bog auf einen Vorplatz ein und sah hinter einem mächtigen Brunnen die Rundbögen des Haupteingangs. Er hatte große Gelehrte kommen und gehen sehen. Eines Tages würde sie mit ihrer Doktorarbeit unter dem Arm an eine der Säulen gelehnt stehen. Ihr Vater, extra angereist, um ihr als Erster zum

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