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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Rechten hielt er ein Huhn an den Beinen, aus dessen Schnabel gelblicher Schleim tropfte. Als der Schwarze dem Spitzbärtigen das Huhn überreichte, fing es an, mit den Flügeln zu schlagen, und stieß einen schrillen Klageschrei aus.
    Der Spitzbärtige riss ihm ein paar Federn aus, roch an den Kielen und nickte zufrieden. Dann zog er das Tier hoch, ließ es einige Minuten über seinem Kopf rotieren und in die Mitte des Kreises fallen, wo es mit einem klatschenden Geräusch aufschlug. Es lag wie tot, dann zuckten seine Beine und Flügel, mühsam richtete es sich auf und torkelte auf einen Punkt zu, der durch ein Oval mit einem Längsstrich gekennzeichnet war. Dort brach es unter dem wilden Beifall der Männer zusammen.
    Den Rest besorgte der große Schwarze. Ohne Hast und mit einem weichen Ausdruck im Gesicht drehte er dem Huhn den Hals um, wartete, bis seine Reflexe sich beruhigten, griff in seinen Hintern und zog ein ungelegtes Ei hervor, das er – wieder unter allgemeinem Jubel – über dem ovalen Zeichen zerquetschte.
    Die Passagiere, die zufällig Zeugen wurden, zogen sich, noch bevor das Ritual zu Ende war, angewidert zurück. Nur Bernhard blieb. Er achtete nicht auf das Huhn, sondern auf die Hände, die es hielten, er sah die schwarze Hand an der nackten Gurgel, aber ins Gesicht des Mannes sah er nicht, er hörte nicht den Beifall, aber er starrte auf die klatschenden Hände. Er zeichnete wie in Trance. Lange blieb er in seinem versteckten Winkel in der Nähe der Männer sitzen, während die anderen Passagiere sich in ihren Kabinen verbarrikadierten.
    Der dritte Tag verstrich in der Erwartung eines monströsen Unheils.«Nie mehr werde ich …», flüsterten die Unglücklichen und dachten dabei an ihren Club, ihr Lieblingslokal, die Rosenblüte, eines ihrer Kinder, den Körper einer Frau. Sie sahen ihre Befürchtungen bestätigt, als der Kapitän anordnete, den Wasserverbrauch einzuschränken. Die Waschbecken, Duschen und Toiletten wurden nur noch morgens und abends je eine Stunde mit Wasser versorgt. Weniger alarmierend war die Reduzierung der Essensportionen, den Passagieren war der Appetit vergangen. Der einzigen Frau in ihrer Runde schenkten sie keine Beachtung mehr.
    Bernhard beschloss, die Nacht unter dem Sternenhimmel zu verbringen. Mit einer Decke als Unterlage und dem Zeichenblock richtete er sich in seinem Winkel ein. Es war Vollmond, zum zweiten Mal seit der Abreise von Rotterdam.
    Als er aufblickte, sah er einige Meter vor sich die zwei auf dem Rücken verschränkten Hände des Herrn aus der ersten Klasse. Er griff nach dem Block, hatte schon den Bleistift angesetzt, als die rechte Hand mit einem Ruck wie der Kopf einer Schlange ins Halbdunkel stieß. Der Zeigefinger krümmte sich, um eine Gestalt anzulocken, die sich zögernd aus dem Schatten der Kajüte löste. Es war der Schiffsjunge. Die andere Hand wedelte jetzt mit einem Stück Papier in der Größe eines holländischen Guldens. Plötzlich verschwand der Schein, wie ein Enterhaken umklammerte die Hand die Schulter des Jungen, die andere riss ihm die Hose herunter. Mit wenigen Strichen hielt Bernhard die Szene fest. Er hörte nicht den unterdrückten Schrei, der Schlangenkopf hatte zwischen den Beinen seines Opfers zugeschnappt. Da wurde es dunkel, der Mond verfinsterte sich. In der Stille die keuchende Stimme des Mannes: «Au! Du verdammter Bengel!» Und kurz darauf ein jämmerliches: «Halt! Haltet den Dieb!» In dem Moment hörte man ein Rumpeln, das Schiff erzitterte, dann das ferne, altvertraute Dröhnen. Ein dreifaches Tuten verkündete den Sieg.

2. Kapitel
    Wie Gestalten aus einer anderen Welt tauchten die Leuchttürme von Tandjung Priok aus dem Morgendunst auf. Die «Sindaro» hatte die Geschwindigkeit gedrosselt, mit einem Zischen schnitt ihr Bug durch die sanften Wellen. Ein Schaudern ging durch den Schiffskörper, als die Maschinen ganz abgestellt wurden. Einige Möwen umkreisten die Schornsteine, als wäre es ihre Aufgabe, den Ankömmling zu begrüßen.
    Bernhard und Dr. Holzer standen an der Reling. Winzige Wassertropfen hingen glitzernd in der Luft wie Goldstaub. Im diffusen Licht der aufgehenden Sonne zogen in orange und violett changierende Schwaden getaucht kleine, mit Bambusgestrüpp bewachsene Inseln vorüber. «Land», sagte Dr. Holzer. «Man kann es riechen.» – Tatsächlich trug eine aufkommende Brise einen weichen, süßlichen Duft an ihre an den Geruch von Salzwasser und Dieselöl gewöhnten Nasen. Zwei Boote mit

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