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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Blumengebinde auf den Sarg, Manfred brach von einem Strauch am Nachbargrab einen blühenden Zweig. In einem nahe gelegenen Café verabredeten sie sich für ein Treffen in Katrins Wohnung, um deren Hinterlassenschaft zu sichten und aufzuteilen. «Wenn es überhaupt was aufzuteilen gibt. Mir graut’s bei der Vorstellung», sagte Manfred.
    Weiter hatten sie sich nichts zu sagen. An Katrin, an ihren einsamen Tod zu denken, war bedrückend, vereinte sie nicht in gemeinsamer Trauer, keiner mochte über sie sprechen. Kaum hatten sie bezahlt, standen die Geschwister wie auf ein Kommando auf: «Mach’s gut! Bis dann!» – Ursula bat Maria, sie beim Haus «Diana» abzusetzen. Sie wollte ihren Vater besuchen.
    Im Jagdhaus öffnete eine unbekannte Frau die Tür. Ursula nannte ihren Namen. «Dann … dann bin ich deine Tante. Ich heiße Nora. Ich bin hier, um nach dem Rechten zu sehen.» – Sie führte Ursula in die Küche. «Bitte setz dich!» – Ohne zu fragen, schenkte sie ihr ein Glas Wasser ein.
    Ursula hatte nicht geahnt, dass sie eine Tante hatte. Ihr Vater hatte sie nie auch nur erwähnt. Ohne zu wissen woher, hatte Ursula jedoch ein Bild vor Augen, wie Tanten aussahen. In ihrer Vorstellungwaren Tanten blond, rotbackig, hatten einen großen Busen, an dem Kinder sich ausweinen konnten, und waren ständig damit beschäftigt, einen Kuchen oder Plätzchen zu backen.
    Wenn diese Nora ihre Tante war, musste Ursula das Klischee korrigieren. Die Frau, die wie die Besitzerin auftrat und offensichtlich im Haus «Diana» das Regiment übernommen hatte, wirkte wie aus nicht zueinander passenden Teilen zusammengesetzt. Der Kopf war zu klein für die männlich breiten Schultern, die Taille zu schmal für das breite Gesäß, die Arme zu lang für die kurzen Beine. Am auffälligsten aber war, dass ihr unentwegt die Nase lief.
    Wenn man unerwartet einer nahen Verwandten gegenübersaß, von deren Existenz man nichts wusste, ist es normal, dass man sich die Zeit nimmt, alle möglichen Fragen zu stellen, um sich etwas näher kennenzulernen, dachte Ursula. Aber Nora war offensichtlich keine Freundin von langsamen Annäherungsprozessen. Ohne Umschweife und ohne sich die Nase zu putzen, überfiel sie Ursula mit ihren Beobachtungen: «Ich mache mir über deinen Vater Gedanken. Sein Zustand ist besorgniserregend. Er ist … na, nennen wir’s: verwirrt. Ich habe den Eindruck, er ist im Begriff, den Verstand zu verlieren.» – Es folgte ein ungemütliches Schweigen. Die Luft war abgestanden. Ursula wollte ein Fenster öffnen. «Bleib sitzen und hör mir zu: Er hat seine Masken um sich herum auf dem Schreibtisch aufgebaut. Er gibt ihnen Namen und spricht zu ihnen, als wären sie menschliche Wesen. Aber das ist noch nicht alles: Hinter ihre Köpfe hat er Hühner-, Gänse- und Krähenfedern gesteckt und auf Aquarellpapier für jede Maske ein Kleid, oder soll ich sagen: ein Gewand gemalt. Alle in Schwarz, der Hintergrund silbern. Gespenstisch sehen sie aus, gespenstisch. Eine oder zwei nimmt er abends mit in sein Schlafzimmer und stellt sie auf seinen Nachttisch. Sie sollen ihn beschützen. Beschützen vor was?, frag ich dich.» Während Nora sprach, musste Ursula an die alte Frau denken, die plötzlich bei ihnen stand und vom Grabhügel aus wieeine Priesterin ein Gebet sprach. «Du hörst mir nicht zu. Du bist wie er», sagte Nora.
    ***
    Ursula fand Bernhard in der Bibliothek. Ohne aufzublicken, fragte er: «Nora, bist du’s?» – Als er Ursula erkannte, schien er keineswegs erstaunt. «Wir diskutieren gerade die Frage, ob es das gibt, was man Zufall nennt. Ich glaube an Zufälle. Aber die Herrschaften hier sind anderer Meinung. Sie glauben, es sei Vorsehung, dass sie bei mir, hier auf meinem Schreibtisch gelandet sind. Ich kann in dem, was geschieht, keine Gesetzmäßigkeiten erkennen. Das Leben ist eine Anhäufung von Zufällen.» – Und nach einer Weile: «Mein Freund Tanchi will wissen, ob es Zufall war, dass ich dich gezeugt habe. Die Wahrheit ist: Ich habe es nicht gewollt, es ist geschehen, es war Zufall.»
    Er wurde unterbrochen von Nora, die in der Tür erschien: «Ich wollte nur sehen, ob dir was fehlt.» – Sofort zog sie sich wieder zurück. «Sie betreibt meine Entmündigung», flüsterte Bernhard. «Sie denkt, ich sei verrückt. Sie tut so, als wolle sie sich um mich kümmern. Dabei will sie das Haus. Nimm dich vor ihr in Acht.» – Dann seufzte er und setzte den Disput mit seinen Freunden fort.
    Ursula wagte nicht, ihn zu

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