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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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unterbrechen. «Ach, du bist noch da!», sagte er nach einer Weile erstaunt. «Ja, ich will dir was zeigen.» Sie legte ein Zeugnis vor ihm auf den Tisch. «Ich habe das Physikum bestanden.» – «Physikum? Wozu brauchst du das?» – «Bernhard, ich werde Ärztin!» – «Ärztin», murmelte er. «Dann kannst du mir vielleicht sagen, wie lange ich noch leben muss.»
    Aus einer Schublade zog Bernhard Papier und Bleistift hervor. «Ich habe dich gezeichnet, kannst du dich erinnern? Damals warst du noch ein Kind. Beim Zeichnen habe ich ein Gefühl für dich entwickelt, so habe ich dich kennengelernt. Mit jedem Bild wurdestdu ein Stück mehr meine Tochter. Anfangs hast du dich geniert, zum Schluss warst du geradezu kokett. Das weiß ich noch genau.» Ursula sah es nicht, sie spürte, dass er lächelte. «Auch wenn Nora es bestreitet, mein Gedächtnis funktioniert noch recht gut.»
    Das sagte er fast heiter und fuhr fort, als wolle er ihr eine Anekdote erzählen: «Ich habe eigentlich nicht gelebt.» Wie um dem Satz etwas von seinem Gewicht zu nehmen, fügte er hinzu: «Ich habe es aber auch nie wirklich gewollt.» Und nach einer Pause, in der nur das Gurgeln eines Heizkörpers zu hören war: «Die wenigen Male, in denen ich versucht habe, über ein anderes Leben nachzudenken, herrschte in meinem Kopf eine große Leere. Am entscheidenden Punkt wusste ich nicht weiter. Diese Ohnmachtsgefühle haben mich gequält, ich war ihnen ausgeliefert. Allein an das Schicksal, an seine Allmacht habe ich geglaubt. Wie ein Wetterleuchten sah ich manchmal hinter meinem ein anderes Leben, das ich hätte führen können. Aber ich war schwach, ich ließ mich treiben. Nur einmal habe ich entschlossen gehandelt: Es war der schändliche Entschluss, meinen Vater zu hintergehen, um mir dann einen Fahrschein für ein Schiff mit unbekanntem Ziel zu nehmen.» Er hatte, während er sprach, mit schnellen Strichen versucht, sie zu porträtieren. Jetzt zerknüllte er das Papier und sah sie an: «Du hättest einen besseren Vater verdient.»
    So hatte er noch nie zu ihr gesprochen. «Du hast großzügig mein Studium finanziert. Dafür bin ich dir dankbarer, als ich dir sagen kann.» – Sie wollte ihn umarmen, trat nah an ihn heran, fühlte, dass dies der einzige Mann war, den sie lieben konnte. Aber wieder war da eine Sperre, die sie nicht überwinden konnte. Ihr ausgestreckter Arm blieb kraftlos auf seiner Schulter liegen.
    Wieder ging die Tür einen Spalt weit auf, man hörte ein Schniefen, und Noras Kopf erschien. Sie sagte etwas Unverständliches, dann zog sie sich zurück. «Sie spioniert.» – Bernhard legte den Zeigefinger an die Lippen. «Sie würde gern wissen, was ich dir jetztsage: Mach dir keine Sorgen. Ich werde dir weiterhin jeden Monat Geld schicken. Die Summe werde ich erhöhen. Irgendwo sind Kontoauszüge. Wenn ich sie finde, werde ich wissen, wie es um meine Barschaft bestellt ist.» Er blätterte in einem Stoß Papier. Ohne Erfolg. «In meinem Testament setze ich dich zur Alleinerbin ein. Du bekommst alles, was ich habe. Auch die Hälfte des Hauses, die andere Hälfte gehört Nora. Ich rate dir, ‹Diana› zu verkaufen. Dann bist du unabhängig, hast nichts mehr mit ihr zu tun und kannst mit deinem Anteil machen, was du willst.» Ursula bedankte sich: «Bei nächster Gelegenheit werde ich hier Ordnung schaffen.» – «Wenn du wiederkommst, zeige ich dir, wo die Schlüssel zur Waffenkammer sind. Wir werden sie gemeinsam aufsperren. Allein traue ich mich nicht. In ihr lauert ein böser Geist. Es ist der Geist meines Vaters, der keine Ruhe findet.»
    ***
    «Freust du dich, deine Geschwister wiederzusehen?», fragte Axel. «Ich weiß nicht», antwortete Maria. «Der Anlass ist ja nicht gerade freudig. Ich bin gespannt, was sie sagen, wenn sie sehen, dass ich schwanger bin.» – Dass sie fürchtete, es könnten nach dem Tod der Mutter alte Feindseligkeiten aufbrechen, sagte sie nicht. Was auch passierte, durch Axel fühlte sie sich geschützt. Er hatte versprochen, mitzukommen.
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Eine Stimme, die sie nicht sofort erkannte, sagte: «Ich bin in einer Viertelstunde bei euch.» – «Jean-François? Vater, bist du das?» – «Ja. Ist dein Freund da? Ich brauche ihn.» Dann sagte er noch, sie solle einen Kaffee aufsetzen, einen starken, und hängte ein.
    Jean-François war grau vor Müdigkeit. Aber er strahlte, und während er sie beide umarmte, sah er sich schnell in Marias Wohnzimmer um. «Ich bin

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