Der Maskensammler - Roman
Vorbereitungen ihren Lauf zu lassen, als wäre nichts geschehen. Sein empfindlicher Magen reagierte so heftig mit einem Sodbrennen auf die Schwierigkeiten, mit denen er sich konfrontiert sah, dass er trotz allem, was man so über ihn gehört und gelesen hatte, Dr. Holzer aufsuchte. Um sich ein Bild zu machen, fragte Ulrich nach den Ursachen des schlechten Befindens, das er für eine nervöse Reaktion hielt. Der Direktor deutete an, es wären Zweifel an der Echtheit einiger Versteigerungsstücke aufgekommen. «Um sicher zu sein, dass es sich ausnahmslos um alte Originale handelt, muss ich sie von einem Fachmann begutachten lassen, alle, den ganzen Bestand. Das Renommee meines Hauses steht auf dem Spiel. »Ulrich wusste Rat. Ein Freund von ihm, selber Sammler, ein auf Masken spezialisierter Privatgelehrter, könne da helfen. «Er wird die Spreu vom Weizen trennen», sagte er. Der Direktor spürte, wie die Schmerzen schlagartig nachließen, statt der verschriebenen Tropfen ließ er sich einen Magenbitter einschenken und bat, gleich bei dem Freund anzurufen, eine Expertise werde gut bezahlt, sein Haus übernehme auch alle Spesen.
Bernhard fühlte sich durch das Klingeln des Telefons gestört, seit zehn Tagen war er von seinem Kuraufenthalt zurück und noch damit beschäftigt, nach dem vorgeschriebenen Tagesablauf, der ihn von allen eigenen Entscheidungen entlastet hatte, in einen von ihm bestimmten Rhythmus zu finden. Erst in der Klinik, dann im Sanatorium hatten sich die Ärzte seiner Krankheit angenommen, denZustand seines Herzens Tag und Nacht beobachtet, sie trugen die Verantwortung, dass er wieder gesund wurde. Er hatte sich ihnen überlassen. Mit einem Medikament zur Verflüssigung des Blutes und Ratschlägen für seine Lebensführung, ausgedehnte Spaziergänge und leichte Kost, hatten sie ihn entlassen. Das Risiko einer Wiederholung, die Gefahr eines zweiten Infarktes konnten sie nicht ausschließen, das wusste Bernhard. Er hatte nicht danach gefragt.
Er hatte sich auf sein Haus gefreut, in dem ihm jede Fuge im Parkett, jede Unebenheit der Wände, jede Maserung im Holz der Möbel so vertraut war wie die Falten, die Tönung und die Wölbungen seiner Haut. Alles war so, wie er es vor Wochen verlassen hatte, und doch schien es ihm verändert, als hätte in der Zwischenzeit ein anderer hier gewohnt. Er sah nicht in den Spiegel, aus Angst, er könnte in seinem Gesicht etwas entdecken, das es vorher nicht gegeben hatte. Beim Ankleiden, an seinem Schreibtisch, vor dem Einschlafen tastete er nach seinem Puls, als wäre das Klopfen in seinen Adern ein Morsezeichen des Feindes, der sich nur zurückgezogen, ihn aber nicht endgültig verlassen hatte.
Wieder klingelte das Telefon. Bernhard spürte die Dringlichkeit, jemand wollte etwas von ihm. «Ersparen Sie sich Aufregungen!», hatten die Ärzte gesagt. Er hob ab, hörte Ulrichs Stimme, die ihm so schnell, dass er kaum folgen konnte, von etwas erzählte, das er für eine «tolle Sache» hielt. «Deine Kenntnisse, dein Urteil sind gefragt! Du musst nach Berlin kommen. Du kannst bei mir wohnen.» – «Was? Nach Berlin? Nein! Ich fühle mich noch schwach. Nein, das kann ich nicht.» Aber Ulrich ließ nicht locker. Im Zug könne er erster Klasse fahren, er würde am Bahnhof abgeholt und bekäme für seine Gutachtertätigkeit ein «saftiges» Honorar. Bernhard war dem nicht gewachsen. «Nein, es geht nicht», sagte er matt, dann hängte er ein.
***
Zwölf Stunden später war wieder Ulrich am Apparat. «Wir kommen mit den Masken zu dir. Ein Transporter ist schon organisiert. Schlaf dich gut aus, morgen um diese Zeit stehen wir bei dir auf dem Hof.» – Das Fahrzeug, das Ulrich angekündigt hatte, war ein Möbelwagen mit gepolsterten Innenwänden und gehörte einer auf den Transport von Kunstgegenständen spezialisierten Spedition. Ihm entstiegen zwei kräftige Männer, die sich mit Kaffee aus Thermosflaschen stärkten und dann mit dem Entladen begannen, ohne auf Bernhard zu achten, der versuchte, die Eindringlinge am Betreten seiner ihm heiligen Privaträume zu hindern. Als Ulrich und der Direktor des Auktionshauses eintrafen, war das Wohnzimmer von Haus «Diana» mit fünfunddreißig Kartons vollgestellt.
Während die Männer entlang der Wände Sperrholzplatten auf Böcke legten, servierte Bernhard seinen übernächtigten Gästen Tee. «Heiner Hinze», sagte der Direktor. «Ich bin Ihnen unendlich dankbar, dass Sie uns …» – «Bernhard tut das gerne», unterbrach ihn
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