Der Matarese-Bund
weiß getüncht und die Pferde abgerieben, bis sie glänzten. Es war aufs neue ein Märchenland. Der Padrone war überall gleichzeitig, überprüfte alles, verlangte Vollkommenheit. Seine große Lebenskraft war zurückgekehrt, aber es war nicht die Lebenskraft, die wir früher gekannt hatten. In ihm war jetzt nur noch Grausamkeit. »Bring sie dazu, daß sie sich erinnern, mein Kind!« brüllte er mich im Schlafzimmer an. »Bring sie dazu, sich zu erinnern, was einmal ihnen gehört hat!«
Dann kam er zu meinem Bett zurück, aber sein Geist war nicht derselbe. Jetzt war in seiner Mannheit nur noch brutale Kraft, aber keine Freude mehr.
Wenn wir alle – im Hause, in den Stallungen, auf den Feldern – damals gewußt hätten, was wir bald erfahren sollten, hätten wir ihn im Wald getötet. Ich, die von dem großen Padrone alles bekommen hatte, ich, die ich ihn gleichzeitig als Vater und Liebhaber verehrte, hätte ihm das Messer selbst in die Brust gestoßen. Der große Tag kam, die Schiffe segelten bei Morgendämmerung vom Lido di Ostia herein, und die Kutschen wurden nach Porto Vecchio hinuntergeschickt, um die Ehrengäste zur Villa Matarese zu bringen. Es war ein glorreicher Tag: Musik in den Gärten, mächtige Tische, überhäuft mit Delikatessen und Wein, den besten Weinen Europas, die seit Jahrzehnten in den Kellern des Padrone gelagert waren.
Die Ehrengäste erhielten ihre eigenen Zimmerfluchten, jede mit einem Balkon mit herrlicher Aussicht und – nicht zuletzt – erhielt auch jeder Gast eine eigene junge Hure, um ihn am Nachmittag zu vergnügen. Ebenso wie die Weine waren sie die Schönsten, nicht Europas, aber Korsikas. Fünf der schönsten Jungfrauen, die man in den Bergen finden konnte.
Die Nacht kam. In der großen Halle wurde das großartigste Bankett abgehalten, das die Villa Matarese je erlebt hatte. Als es vorbei war, stellten die Diener Flaschen mit Brandy vor die Gäste und erhielten den Befehl, in den Küchen zu bleiben. Die Musiker wurden aufgefordert, ihre Instrumente in den Garten zu tragen und dort weiterzuspielen. Uns Mädchen bat man, ins obere Haus zu gehen und auf unsere Herren zu warten.
Wir waren vom Wein angeregt, die Mädchen und ich. Aber zwischen mir und ihnen war ein Unterschied. Ich war die Protetta von Guillaume de Matarese. Ich wußte, daß sich hier ein großes Ereignis anbahnte. Er war mein Padrone, mein Liebhaber, und ich wünschte, Teil daran zu haben.
Außerdem hatte ich drei Jahre von den Hauslehrern gelernt. Wenn ich auch keineswegs eine gebildete Frau war, so war ich doch mit dem dummen Geschwätz der unwissenden Mädchen aus den Hügeln nicht zufrieden.
Ich schlich mich von den anderen weg und verbarg mich auf dem Balkon über der großen Halle hinter einem Geländer. Ich sah zu und lauschte – stundenlang, wie es schien –, verstand aber sehr wenig von dem, was mein Padrone sagte. Er klang sehr überzeugend. Seine Stimme war manchmal kaum zu hören, ein andermal schrie er dann wieder, als wäre er vom Fieber besessen.
Er sprach von vergangenen Generationen, als Männer Reiche beherrschten, die Gott und ihre eigene Kraft ihnen gegeben hatte. Wie sie sie mit eigener Macht beherrschten, weil sie sich vor jenen schützen konnten, die ihnen ihre Reiche und die Früchte ihrer Arbeit stehlen wollten. Aber jene Tage waren vergangen, und die großen Familien, die Erbauer der großen Reiche – so, wie die Männer in jenem Saal – wurden jetzt von Dieben und korrupten Regierungen, die ihnen Asyl boten, ausgeraubt. Sie – die Anwesenden im Raum – mußten nach anderen Methoden Ausschau halten, um das zurückzugewinnen, was rechtmäßig ihnen gehörte.
Sie mußten töten – vorsichtig, mit Bedacht, mit Mut und Geschick – und die Diebe und ihre korrupten Beschützer austilgen. Sie sollten nie selbst töten, denn sie mußten die Entscheidungen treffen, die Opfer auswählen, wann immer möglich durch Bestechung. Die im Raum Anwesenden sollten als der Bund der Matarese bekannt werden. Die Mächtigen sollten erfahren, daß es eine Gruppe unbekannter, schweigender Männer gab, die die Notwendigkeit plötzlicher Veränderung und Gewalt kannte, die keine Angst hatte, die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie würden dafür garantieren, daß man die Täter nie mit denen in Verbindung bringen konnte, die sie dafür bezahlten.
Er fuhr fort, von Dingen zu sprechen, die ich nicht verstand; von Meuchelmördern, die von den großen Pharaonen und den arabischen Fürsten
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