Der Matarese-Bund
»Verrückt.« Er hob die Hand. »Hey, da gibt's einen Typ, der schon seit ein paar tausend Jahren hier ist. Er leitet das Magazin im ersten Stock. Vielleicht erinnert er sich an etwas; rufen wir ihn doch an.« Der junge Mann drehte seinen Stuhl herum und griff nach einem Telefon. »Nehmen Sie den anderen Apparat«, sagte er zu Bray und wies auf ein Telefon ganz in der Nähe.
»Magazin, erster Stock«, sagte die Stimme.
»Hey, Methusalem, hier ist Amos – so wie in Amos und Andy.«
»Ein Knallkopf bist du, Junge, kapiert.«
»Hey, Jimmy, ich hab' hier einen Honkey bei mir. Der ist hinter Informationen her, die noch aus der Zeit stammen, wo du der Schrecken der Schlafsäle warst. Genauer gesagt, es betrifft drei von den kleinen weißen Engelchen. Jimmy, erinnerst du dich an eine Zeit Mitte der fünfziger Jahre, als drei Schwestern am gleichen Tag starben?«
»Drei… O ja, und ob ich mich erinnere. 'ne schreckliche Sache war das. Die kleine Katie Connally war auch dabei.«
»Was ist denn passiert?« fragte Bray.
»Ertrunken sind sie, das ist passiert. Alle drei sind sie ertrunken. Sie waren in einem Boot. Das verdammte Ding ist gekentert und sie sind ertrunken.«
»In einem Boot? Im März?«
»Ja, das war 'ne verrückte Sache. Du weißt ja, wie die betuchten jungen Leute sich immer um die Schlafsäle der Schwestern herumtreiben. Sie denken, die Mädchen sehen die ganze Zeit nackte Körper, also würde es ihnen wohl auch nichts ausmachen, sich die ihren anzusehen. Nun, eines Abends hatten ein paar von diesen Burschen eine Party in einem Yachtclub und luden die Mädchen dazu ein. Es wurde 'ne Menge getrunken und aller möglicher Unsinn getrieben. Irgend so ein Esel kam auf die schlaue Idee, sich ein Boot zu holen. Verrückt natürlich. Du hast's ja selbst gesagt, es war im März.«
»Ist das nachts passiert?«
»Ja, nachts. Die Leichen sind eine Woche lang nicht an Land gespült worden, glaube ich.«
»Ist sonst noch jemand ums Leben gekommen?«
»Natürlich nicht. So ist das doch immer, oder? Ich meine, die betuchten jungen Leute können immer so gut schwimmen, oder?«
»Wo ist das passiert?« fragte Scofield. »Können Sie sich erinnern?«
»Sicher kann ich das, Sir. Oben an der Küste. Marblehead.«
Bray schloß die Augen. »Danke«, sagte er leise und legte den Hörer auf.
»Danke, Methusalem.« Der Student legte auf und sah Scofield an. »Jetzt haben Sie Ärger, wie?«
»Ja, den habe ich«, nickte Bray und ging an den Computer zurück. »Ich habe noch zehn Namen. Zwei Ärzte und acht Schwestern. Können Sie die auch noch schnell überprüfen?«
Von den acht Schwestern lebte die Hälfte noch. Eine war nach San Francisco gezogen – Adresse unbekannt; eine andere wohnte bei ihrer Tochter in Dallas; die zwei übrigen waren in das St.-Agnes-Altersheim in Worcester übersiedelt. Einer der Ärzte war noch am Leben. Der Spezialist für Hauttransplantationen war vor achtzehn Monaten im Alter von dreiundsiebzig Jahren gestorben. Der erste Chirurg, Dr. Nathaniel Crawford, war in den Ruhestand getreten und lebte in Quincy.
»Darf ich Ihr Telefon benutzen?« fragte Scofield. »Ich zahle die Gebühr.«
»Als ich das letztemal nachsah, hat mir keine dieser Flüstertüten gehört. Ich lad' Sie ein.«
Bray hatte sich die Telefonnummer vom Bildschirm abgeschrieben; jetzt ging er ans Telefon und wählte.
»Hier Crawford.« Die Stimme aus Quincy klang brüsk, aber nicht unfreundlich.
»Mein Name ist Scofield, Sir. Wir sind uns nie begegnet und ich bin kein Arzt, aber ich interessiere mich sehr für einen Fall, den Sie vor einer ganzen Anzahl von Jahren im Massachusetts General Hospital hatten. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich kurz mit Ihnen darüber sprechen.«
»Wer war der Patient? Ich hatte ein paar tausend.«
»Senator Joshua Appleton, Sir.«
Auf der anderen Seite der Leitung war es ein paar Augenblicke lang still; als Crawford dann wieder sprach, klang seine brüske Stimme müde. »Diese verdammten Zwischenfälle folgen einem Mann bis zu seinem Grab, nicht wahr? Nun, ich habe seit mehr als zwei Jahren nicht mehr praktiziert, also macht das, was Sie sagen oder ich sage, keinen großen Unterschied… Wir wollen sagen, daß ich einen Fehler gemacht habe.«
»Einen Fehler?«
»Ich hab' nicht viele gemacht. Ich war beinahe zwanzig Jahre Leiter der Chirurgischen Abteilung. Mein Bericht liegt in der Akte Appleton abgelegt; der einzig vernünftige Schluß, den man daraus ziehen kann, ist, daß die
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