Der Matarese-Bund
Röntgenaufnahmen durcheinandergeraten waren oder wir die falschen Daten benutzt haben.«
In der Akte Appleton war kein Bericht von Dr. Nathaniel Crawford gewesen.
»Beziehen Sie sich damit auf die Tatsache, daß Sie als Chirurg abgelöst wurden?«
»Abgelöst! Die Familie hat Tommy Belford und mich hochkantig rausgeschmissen.«
»Belford? Ist das Dr. Belford, der Spezialist für Hauttransplantationen?«
»Ein Chirurg. Ein Hautchirurg und ein verdammter Künstler. Tommy hat dem Mann sein Gesicht wieder zusammengeflickt, als wäre er der liebe Herrgott selbst. Dieser Besserwisser, den die dann hereinholten, hat nach meiner Ansicht Tommys Arbeit völlig kaputtgemacht. Aber er tut mir leid. Der Junge war kaum fertig, als ihm der Schädel platzte.«
»Sie meinen eine Gehirnblutung, Sir?«
»Richtig. Der Schweizer war dabei, als es passierte. Er hat operiert, aber es war zu spät.«
»Mit ›der Schweizer‹ meinen Sie den Chirurgen, der Sie ersetzt hat?«
»Sie haben's erfaßt. Der große Herr Doktor aus Zürich. Der Dreckskerl hat mich behandelt wie einen geistig zurückgebliebenen Schulabgänger.«
»Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?«
»Er wird wohl in die Schweiz zurückgereist sein, denke ich. Mich hat er nicht sonderlich interessiert.«
»Doktor, Sie sagen, Sie hätten einen Fehler gemacht. Öder die Röntgenaufnahmen hätten nicht gestimmt oder dergleichen. Was für eine Art von Fehler?«
»Ganz einfach. Ich habe aufgegeben. Wir hatten ihn unter totaler Lebenserhaltung, das war meine Meinung: totale Lebenserhaltung. Ohne die Geräte hätte er keinen Tag mehr überlebt. Und wenn doch, so hätte ich das für Verschwendung gehalten; er wäre kein Mensch mehr gewesen, nur ein lebender Leichnam ohne Geist und Verstand.«
»Sie sahen keine Hoffnung auf Genesung?«
Crawford senkte die Stimme, in seiner Bescheidenheit lag Stärke. »Ich war ein Chirurg, nicht der Herrgott. Ich war nicht unfehlbar. Meiner Ansicht nach war Appleton nicht nur nicht zu retten, sondern er starb jede Minute mehr… Ich hatte unrecht.«
»Danke, daß Sie mit mir gesprochen haben, Doktor Crawford.«
»Wie ich schon vorher sagte, es macht jetzt keinen Unterschied mehr; es macht mir auch nichts aus. Ich habe eine Menge Jahre mit dem Skalpell gearbeitet; ich habe nicht viele Fehler gemacht.«
»Ganz bestimmt nicht, Sir. Wiedersehen.« Scofield ging an den Bildschirm zurück; der schwarze Student las in seinen Büchern. »Röntgenaufnahmen…?« sagte Bray mit leiser Stimme.
»Was?« Der junge Mann blickte auf. »Was ist mit Röntgenaufnahmen?«
Bray setzte sich neben den jungen Mann. Wenn er je einen Freund auf Zeit brauchte, so jetzt; er hoffte einen zu haben. »Wie gut kennen Sie die Leute hier im Krankenhaus?«
»Die Bude ist ziemlich groß, Mann.«
»Nun, Methusalem haben Sie auch gekannt.«
»Na ja, ich bin jetzt seit drei Jahren immer wieder hier. Da kommt man mal hierhin, mal dorthin.«
»Gibt es eine Ablage für Röntgenaufnahmen, die eine Anzahl Jahre zurückreicht?«
»Fünfundzwanzig vielleicht?«
»Ja.«
»Die gibt es. Keine große Sache.«
»Können Sie mir eine beschaffen?«
Der Student hob die Brauen. »Das ist eine andere Angelegenheit, nicht wahr?«
»Ich bin bereit, dafür zu bezahlen. Großzügig zu bezahlen.«
Der Schwarze schnitt eine Grimasse. »O Mann! Nicht, daß ich was gegen Brot einzuwenden hätte, glauben Sie mir. Aber ich stehle nicht und ich deale nicht und ich habe weiß Gott auch nichts geerbt.«
»Was ich von Ihnen erbitte, ist die legalste – wenn Sie wollen sogar moralischste – Sache, die ich von jemandem erbitten könnte. Ich lüge nicht.«
Der Student sah Bray in die Augen. »Wenn Sie es doch tun, dann machen Sie es verdammt überzeugend. Ärger haben Sie, das hab' ich gesehen. Was wollen Sie?«
»Eine Röntgenaufnahme von Joshua Appletons Mund.«
»Mund? Seinem Mund?«
»Er hatte umfangreiche Kopfverletzungen, da sind bestimmt Dutzende von Aufnahmen gemacht worden. Ich bin sicher, daß an seinen Zähnen eine ganze Menge gemacht werden mußte. Können Sie das tun?«
Der junge Mann nickte. »Ich denke schon.«
»Noch etwas. Ich weiß, das wird jetzt… ungewöhnlich auf Sie wirken, aber, glauben Sie mir, nichts ist ungewöhnlich. Wieviel verdienen Sie hier im Monat?«
»Im Durchschnitt achtzig oder neunzig die Woche. Etwa dreihundertfünfzig im Monat. Für einen Studenten ist das nicht schlecht. Einige von den Internisten hier kriegen weniger. Aber die haben natürlich
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