Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
erhaltenenen Handschriften aus gefaltetem gekalktem Hirschleder, die in reicher Bildsprache vom mythischen Ursprung der Mixteken, von ihrer Geschichte und vom Leben ihrer Herrscher berichten. Mit einigem Vorwissen kann man sie wie einen Comic lesen. Auch Daten werden angegeben, allerdings nur in der Zählung der 52-jährigen Kalenderrunde; sie dienen der Identifizierung der nicht individualisiert dargestellten Personen. Der spärliche Text lässt ein eher einfaches Schriftsystem erkennen. Aus den Chroniken erfahren wir, wie die Mixteken ihre Kriegführung durch Heiratsdiplomatie ergänzten und dadurch nach und nach auch den Großteil der zapotekischen Gebiete unter ihre Herrschaft brachten. Folgerichtig bestand die mixtekische Oberschicht irgendwannnur noch aus einer einzigen Familie. Die Kämpfe gingen trotzdem weiter, und Dynastien kamen und gingen, bis die Mixteken im 13. Jahrhundert Oaxaca erreichten und aus dem verlassenen Monte Albán einen Begräbnisort für ihre Oberschicht machten. Dem Schicksal der Unterwerfung durch die Azteken – wie es vielen anderen Völker geschah – entgingen sie, da sie erfolgreich mit den nun verbündeten Zapoteken Widerstand leisteten, doch wurden einige ihrer Städte gegen die Azteken tributpflichtig.
Die Azteken waren die letzte der mesoamerikanischen Hochkulturen und hatten ein riesiges Imperium geschaffen, bevor Cortés und seine Nachfolger den eigenverantwortlichen Geschicken der Region ein Ende setzten. Vor allem weil sie erst so spät ins Spiel kamen, ist das Material über sie reichhaltiger, und ihr Einfluss reicht so weit, dass wir ihre Vorgänger zumeist mit dem Namen kennen, den die Azteken ihnen gegeben haben. Aus diesen Gründen werden die Azteken heute gerne mit der reichen Kultur Mexikos vor der spanischen Eroberung in eins gesetzt, auch wenn das entschieden zu kurz greift.
Die von den Azteken selbst überlieferten Quellen erleichtern das Wissen über ihre Geschichte jedoch nur begrenzt, denn es handelt sich dabei um eine ideologisch gefärbte Geschichtsschreibung, wie sie bei autoritären Staaten ja nicht selten ist. Die Vorstellung von der eigenen Größe hatte auch mit den religiösen Überzeugungen zu tun, die alles durchdrangen – damit es kosmologisch passte, frisierten die aztekischen Chronisten schon mal eine Datumsangabe oder die Beschreibung eines Ereignisses.
Das Volk, das sich selbst als »Mexica« bezeichnete, aber seit Alexander von Humboldt häufiger unter Azteken firmiert, begann seinen Aufstieg recht verhalten, denn als es 1325 die später so berühmte Stadt Tenochtitlán gründete, geschah das nicht ohne Grund auf einer Insel im Texcoco-See: Man konnte sich trotz eigenerSchwäche recht gut gegen Stärkere verteidigen. Ins Becken von Mexiko waren die Azteken im Zuge einer längeren Wanderungsbewegung vorgedrungen und hatten als fremde Eindringlinge mit der dort ansässigen Bevölkerung um Siedlungsraum gestritten. Der Aufstieg vollzog sich ähnlich wie zu anderen Zeiten in anderen Weltgegenden: Als Söldner leisteten die Azteken anderen wertvolle Dienste und arbeiteten sich allmählich hoch, gründeten Stadtstaaten, mit Tenochtitlán und dem benachbarten Tlatelolco als wichtigste. Untereinander und mit anderen Völkern pflegten sie eine mehr oder weniger freiwillige Heiratsdiplomatie. Lange Zeit blieben sie aber in ihrer Region politisch nachrangig, bis sie – gestärkt, zunehmend überheblich und offenbar seit einiger Zeit reichlich unbeliebt – ein Bündnis mit der bisherigen Territorialmacht der Region, den nunmehr besiegten Teponeken, sowie den Acolhua eingingen: den aztekischen Dreibund.
Das letzte Jahrhundert vor der spanischen Invasion war vom Kampf um die Vorherrschaft in Mesoamerika geprägt, den der Dreibund für sich entschied – und in diesem waren die Azteken tonangebend. Nach und nach wurden weite Räume Mesoamerikas von den Azteken unterworfen – etwa sechs Millionen Menschen sollen schließlich in Abhängigkeit des aztekischen Königs von Tenochtitlán gelebt haben. Der Einflussbereich der Azteken umfasste mehr als die Hälfte des heutigen Mexikos und reichte im Süden bis ans heutige Guatemala heran. Ein Imperium mit fest strukturierter militärischer, politischer und administrativer Machtausübung war das Aztekenreich jedoch nicht, das überstieg seine Möglichkeiten. Stattdessen stützten sich die immense Macht und der viel gerühmte Reichtum der Aztekenherrscher auf ein System von tributpflichtigen Vasallenstaaten. Zu
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