Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Vorstellungen nieder.
Die Schöpfungsmythen der Maya wissen zu berichten, es habe mehrere Versuche der Götter gegeben, die Menschen zu erschaffen, die jedoch zunächst misslangen, weil die Materialien – erst Lehm, dann Holz – den Anforderungen nicht genügten und das Geschöpf Mensch nicht zu dem in der Lage war, was die Götter sich versprachen: sie anzubeten und ihnen Opfer darzubringen, um so für das Wohlergehen und den Fortbestand der Welt und des Kosmos zu sorgen. Erst der dritte Versuch gelang, als ein Klumpen Maismehlteig geformt und beseelt wurde. In den vier Ecken eines Maisfeldes namens Erde erschufen die Götter vier Männer und vier – ausnehmend schöne – Frauen, weshalb die Zahl Acht für Mais und den Maisgott steht und der achte Tag K’an im Maya-Kalender den Maisgott als Patron hat. In diesen Aspekten von Schöpfungsgeschichte und ihrer Tiefenwirkung in alle Lebensbereiche ist die Wertschätzung für die wichtigste Kulturpflanze gleichermaßen unübersehbar und nachvollziehbar. Allerdings hatte das auch eine beträchtliche Abhängigkeit zur Folge – sowohl ideell als auch tatsächlich. Denn neben fetten Jahren und Jahrhunderten erlebten die Maya magere, weil der Maisgott Hun Nal Yeh ihnen nicht zu jeder Zeit wohlgesinnt war.
Der Maisgott war den Maya ein stets präsenter und besondersvolksnaher Gott. In ihrer Ikonografie taucht die Maispflanze so häufig auf wie in der christlichen Bildwelt die Jungfrau Maria, und wie sie ist der Maisgott eine überaus positive Gestalt. Interessanterweise bezeichnen die Hochland-Maya unserer Tage die Muttergottes gerne auch als »Unsere Mutter Mais«, wie der Volksglaube der Region ganz allgemein in vielen Details zum Schmelztiegel wurde, in dem sich das von den Spaniern eingeführte Christentum mit älteren Glaubensinhalten verband. Der Maisgott der alten Maya steht für Fruchtbarkeit und Reichtum und wird meist als hübscher Jüngling mit Maisblättern als Haar dargestellt. Man kann ihn guten Gewissens als männliches Schönheitsideal bezeichnen – selbst für den Filmhelden in Mel Gibsons Maya-Streifen Apocalypto stand er offensichtlich Modell.
Ein beliebtes Motiv der Maya-Künstler ist der Tanz des Maisgottes anlässlich der Erschaffung der Welt, was die Könige in der Rolle des jungen Gottes nur zu gerne nachahmten, um sich als seine Nachfolger zu inszenieren. In Darstellungen wächst er oft als Maisschößling aus einem Schildkrötenpanzer empor – die Schildkröte (oder auch ein Krokodil) steht für die Erde, die auf dem Urmeer schwimmt. Für das einfache Volk war der Maisgott ein alltäglicher Begleiter, in jeder Aussaat sah man seinen Tod, der den Keim legt für die Wiedergeburt in einem neuen Vegetationszyklus, hoffentlich gekrönt von einer reichen Ernte. Zum Maisgott betete man, sprach mit ihm, und wie die arktischen Inuit für Schnee kannten die Maya für den Mais in all seinen Erscheinungsformen und Reifestufen viele Wörter – ganz abgesehen von der schier unübersehbaren Vielfalt der Gerichte aus Mais, die die Maya-Frauen ihren Familien zubereiteten. Seine praktische und mythologische Bedeutung war so groß, dass er in seinem Zyklus von Wachsen, Reifen und Vergehen als die Metapher schlechthin für das menschliche Leben diente und das viereckige Maisfeld als Abbild der Welt. Rituale und Aberglauben drehen sich bei denMaya bis heute um ihr liebstes Getreide, dem außerdem Heilkräfte zugeschrieben werden.
Eine ganz profane Vorbedingung dafür, dass der Mais zum erfolgreichen Grundnahrungsmittel werden konnte, war die aufwändige Art der Zubereitung. In Mesoamerika wurden die Maiskörner mit Limetten gekocht und dann zu Brei zerkleinert, was wichtige Nährstoffe im Mais freisetzt, oder man mahlte das Korn zu Mehl, wobei der Abrieb des kalkhaltigen Steins für denselben Effekt sorgt. Aus dem Maisbrei wurden dann tortillas oder tamales (Maisbrot) zubereitet. Viele Forscher sehen diesen Umstand heute als noch wichtiger an für die Sesshaftwerdung der Maya in Dorfgemeinschaften als den gestiegenen Ertrag der Maispflanze und die damit verbesserte Ernährungsgrundlage. Als zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Europäer die Region in Besitz nahmen, begriffen sie schnell, dass diese fremde Feldfrucht für die Indianer das war, was für Europa Weizen und Gerste waren und in Asien der Reis bedeutete, und führten sie auch in ihrer alten Heimat ein. Das Wissen um die richtige Zubereitungsart brachten die europäischen Eroberer allerdings nicht mit
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