Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
n. Chr. setzte dann aber der rätselhafte Niedergang ein, an dem sich noch einmal die Bedeutung der Stadt bewies: Das Ende ihrer Vormachtstellung riss nämlich andere Gegenden mit, die auf die ein oder andere Weise von Teotihuacán abhängig waren, darunter auch viele Maya-Städte. Einige Forscher gehen so weit zu behaupten, vom Untergang Monte Albáns, der Hauptstadt der Zapotheken, um 800 bis zum mysteriösen Kollaps der stolzen Maya-Städte des Tieflandes gehöre alles zu einer großen mesoamerikanischen Krise, an deren Anfang der Untergang Teotihuacáns stand. Vielleicht bekam die Handelsmetropole Konkurrenz und verlor ihre beherrschende wirtschaftliche Stellung. Vielleicht waren politische Schwierigkeiten der Auslöser für den Niedergang. Aber vielleicht waren es auch ökologische Gründe: Zu jener Zeit wurde es fast überall in Mexiko empfindlich trockener – über die Jahrtausende nahm die Regenmenge bis heute generell immer mehr ab, und die rücksichtslose Abholzung der Waldbestände zugunsten der Landwirtschaft könnte dieses Problem noch verschärft haben.
Teotihuacán ist für den sogenannten Talud-Tablero-Baustil bekannt, der aber ursprünglich gar nicht dort entwickelt wurde. Vor allem Pyramiden wurden dabei treppenartig angelegt, mit waagrecht vorspringenden Simsen (Tablero), die die schräge Fassade (Talud) untergliedern. Verfeinert wurden aber auch die gesellschaftlichen Strukturen: Die Hierarchisierung nahm zu, religiöse Eliten und eine Kriegerkaste setzten sich von der Masse der Bevölkerung ab. Entgegen früherer Ansichten vom friedfertigen Mittelamerika jener Zeit war diese Hochphase der mesoamerikanischen Kulturen durchaus kriegerisch, und die maßgebliche »Militärmaschine« Mittelamerikas, wie ein Forscher sich einmal ausdrückte, dürfte Teotihuacán gewesen sein.
Merkwürdig erscheint, dass eine derart wichtige Metropole, mit weit gespannten Handelsbeziehungen und großem Einfluss, keine Schrift besessen haben soll. Aber die archäologischen Funde sind hier nicht eindeutig, und die Forschung ist in dieser Frage gespalten. Andererseits ist trotz aller Komplexität die bedeutende Rolle der Stadt auch ohne Schriftsystem vorstellbar – in den Anden Südamerikas waren die Inka ganz ohne Schrift schließlich auch in der Lage, ein mächtiges Imperium zu verwalten.
Auch ohne Schrift markiert der Aufstieg Teotihuacáns die große Blütezeit der mesoamerikanischen Kulturen, die um 200 n. Chr. einsetzende klassische Periode. In dieser Zeit stiegen die Bevölkerungszahlen explosiv, was belegt, dass durch fortgeschrittene landwirtschaftliche Kenntnisse, bessere Anbautechniken und erweiterte Anbauflächen immer mehr Menschen ernährt werden konnten. Möglicherweise entstand damals eine Schriftkultur in Büchern, die die Jahrhunderte allerdings nicht überlebt haben, und ebenfalls zu dieser Zeit nahm die Bedeutung des Kalenders zu. Die Bautätigkeit dieser Epoche war immens, ebenso das Output an künstlerischen Arbeiten und kunsthandwerklichen oder Gebrauchsprodukten. Ungefähr zur selben Zeit, in der die Olmeken erste Schriftzeichen entwickelten, und nicht allzu weit entfernt bildete sich Monte Albán im Tal von Oaxaca im heutigen gleichnamigen südmexikanischen Bundesstaat, ein frühes Hieroglyphensystem heraus, das allerdings ebenfalls bisher noch nicht entziffert werden konnte. Die Gründung der Stadt lässt sich vermutlich auf eine Föderation der drei Täler von Oaxaca zurückführen, die den Berggipfel im Schnittpunkt ihrer Territorien um 500 v. Chr. aus strategischen Gründen als künftiges Zentrum und als Zuflucht in unsicheren Zeiten auswählten. Die Stadt – gelegen auf einer mühsam abgetragenen Bergkuppe 400 Meter über dem Tal, knapp 2000 Meter über dem Meeresspiegel – wurde zum kulturellen, religiösen und politischenMittelpunkt. Wie kämpferisch es zu jener Zeit zuging, belegen Steinreliefs in einem Tempel, die 300 vermutlich geopferte Gefangene zeigen. Darunter sind bislang unlesbare Hieroglyphen sowie Zahlen erkennbar, die als Kalenderdaten identifiziert wurden. Die Zapoteken von Monte Albán kannten danach bereits sowohl den 260-tägigen Ritualkalender als auch das Sonnenjahr mit seinen 365 Tagen, die zur sogenannten Kalenderrunde von 52 Jahren übereingebracht wurden. Auf dem »Weißen Berg« haben Archäologen mehr Material zur mesoamerikanischen Kalendertradition gefunden als bei den Olmeken, was astronomische Fertigkeiten erklärt: In der ersten Erweiterungsphase zwischen
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