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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Siedlungen und schließlich Städten aber wurden die Verhältnisse und damit Problemlösungen komplizierter und bei steigendem Wohlstand die Machtfrage prekärer. Gleichzeitig ermöglichte der Reichtum mehr Spezialisierung in allen Tätigkeitsbereichen – und eine wachsende Oberschicht, die eine politischreligiöse Führungsrolle beanspruchte.
    Der Ursprung der »Gottkönige im Regenwald«, wie die Herrscher der Maya genannt werden, geht auf diese vorklassische Zeit in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten zurück. Entscheidend war der Schritt zur Zentralisierung der Macht in einem staatsartigen Gebilde mit einem Herrscher an seiner Spitze, der zu dieser Zeit erstmals mit dem Titel k’uhul ajaw (= Gottkönig, hoher Herr) benannt wird. Seine erfolgreichste Ausprägung erlebte das Konzept der »Gottkönige im Regenwald« jedoch in der Hochphase der Maya-Kultur der klassischen Periode zwischen dem 3. und dem 10. Jahrhundert n. Chr. Die Könige sahen sich von kosmischen Mächten begünstigt und über den gewöhnlichen Menschen stehend, beriefen sich auf eine Abstammungslinie von Vorfahren, die vorzugsweise direkt auf eine Gottheit zurückging, und traten mittels blutiger Rituale in Verbindung mit Vorfahren und Götterwelt. Dass bei diesen Ritualen Blut floss, hat weniger mit Brutalität und barbarischen Sitten zu tun als mit der Auffassung, Blut als der Lebenssaft schlechthin nähre die Götter. Beispielsweise durchstach ein König mit einer feinen Klinge aus Obsidian oder einem Rochenstachel seine Zunge, sein Ohrläppchen oder, was nicht nur besonders schmerzhaft war, sondern auch als besonders wirkungsvoll angesehen wurde, seinen Penis und tränkte mit dem Blut bereitliegendes Papier, das dann zusammen mit anderen wertvollenSubstanzen wie Weihrauch, Kopal (ein Baumharz) oder Tabak verbrannt wurde. Möglicherweise unterstützt durch Drogen führte der Blutverlust zu einer Trance, die Visionen hervorrief und so den Kontakt zur Götterschaft ermöglichte. Menschenopfer gab es zwar ebenso, nicht aber in dem erschreckenden Ausmaß wie bei den Azteken Jahrhunderte später.
    Wie wichtig diese Rituale waren, zeigen zahlreiche künstlerische Darstellungen. Anderen frühen Zivilisationen gleich, sahen die Maya eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Menschenund Götterwelt: Ohne ihnen gewogene Götter, die für Wind und Regen, für Fruchtbarkeit und Kriegsgeschick zur richtigen Zeit sorgen, können die Menschen nicht bestehen. Aber umgekehrt brauchen die Götter die Menschen, weil allein deren Opfertätigkeit ihre stete Wiedergeburt und ihr Wohlergehen sichert. Und wie die Herrscher anderer Kulturen legitimierten die Maya-Könige mit der Nähe zu den Göttern ihre eigene Machtposition und gleichermaßen die hierarchisch aufgebaute Gesellschaft mit einer Adelsschicht an der Spitze, mit Priesterkaste und Verwaltungsleuten, die weit über den gewöhnlichen Maisbauern, Fischern und Handwerkern standen. Das war sozusagen der Preis, den die Maya – wie andere frühe Kulturen – für ihren wirtschaftlichen Aufstieg und ihr enormes Bevölkerungswachstum zahlen mussten: Im Rahmen einer egalitären Gesellschaft, die kaum Unterschiede zwischen den Menschen macht, wäre der Aufschwung nicht möglich gewesen, und auch die sich daraus entwickelnden kleinen Häuptlingstümer hätten das nicht leisten können. Es bedurfte einer komplexen Gesellschaftsstruktur mit verfeinerter Arbeitsteilung und eindeutigen Befehlsketten. Die Religion diente dabei aber nicht nur der herrschenden Klasse als Legitimierung ihrer Führungsrolle, sondern auch als ideologisches Bindemittel, um die verschiedenen Gesellschaftsschichten zusammenzuhalten.

    Die größte der frühen Maya-Metropolen ist El Mirador im äußersten Norden Guatemalas, nur wenige Kilometer vor der Grenze zum heutigen mexikanischen Bundesstaat Campeche. Das Stadtzentrum besaß Bauten von bis zu 72 Metern Höhe, riesige Plattformen mit meist drei korrespondierenden Gebäuden, deren Anordnung hier wie an anderen Orten noch Jahrhunderte später einen Bezug zur Maya-Kosmologie erkennen lässt, und war über Dammstraßen mit anderen Vierteln und Orten verbunden. El Mirador übertrifft sogar die späteren Städte der klassischen Periode an Größe und Maßstab der Gebäude. Diese umfassende Bautätigkeit setzt ein hohes Maß an handwerklichem Können, Organisationsfähigkeit und wirtschaftlichem Potenzial voraus und belegt damit die erhebliche Hierarchisierung der Maya-Gesellschaft schon zu

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