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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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geführt haben könnte, denn militärische Bedrohung allein erklärt nicht, dass zu jener Zeit so viele Städte verlassen wurden. Zwar muss es schon damals kriegerisch zugegangen sein unter den Maya-Siedlungen im Tiefland, davon zeugen neben Befestigungsanlagen Massengräber, die vermutlich geopferte Kriegsgefangene enthalten. Aber wahrscheinlich traten zur militärischen Bedrohung andere Faktoren, seien sie kultureller, ökologischer oder klimatischer Art – also beispielsweise eine politische Krise, Überbeanspruchung der natürlichen Umwelt oder ein zunehmend trockeneres Klima. Was auch immer verantwortlichwar, diese Phase des Niedergangs ist von einem enormen Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet, und was aus dieser Epoche ausgegraben werden konnte, ob Keramiken oder Bauten, ist von deutlich schlechterer Qualität als noch kurze Zeit zuvor. Statt in blühenden Städten lebten die Menschen wie früher in kleinen Weilern, und auch das stolze Cerros verwandelte sich wieder in ein unscheinbares Fischerdorf. Die Menschen mögen bang in die Zukunft geschaut und sich zugeraunt haben, dass der Maisgott ihnen zürne. In ihrer Vorstellungswelt wäre das eine schlüssige Erklärung gewesen, während ihnen für Ursachenzusammenhänge, die wir aus heutiger Sicht herstellen können, außer dem nötigen Abstand auch das Wissen fehlte.

    Ein maßgeblicher Entwicklungsfaktor der gesamten Region Mesoamerika war der Handel, vor allem mit Luxusgütern. Ein frühes wichtiges Zentrum dafür und von entsprechend großem Einfluss auf andere Städte war Kaminaljuyu, heute ein westlicher Vorort von Guatemala-Stadt. Dort lassen sich sowohl aufwändige Monumentalbauten nachweisen als auch Agrargebiete mit einem raffinierten Bewässerungssystem. Ihren immensen Reichtum verdankte die Stadt dem Handel mit Obsidian aus den nahe gelegenen Vorkommen in El Chayal. Vor allem in den sechs Jahrhunderten zwischen 400 v. Chr. und 200 n. Chr. profitierten die Bewohner vom Zugriff auf das begehrte Material, das ihnen im Gegenzug wertvolle Handelsgüter aus ganz Mittelamerika verschaffte. Die Handelsbeziehungen reichten weit, die Erträge waren üppig – jedenfalls solange die Bilanzen stimmten. Der Wohlstand beweist sich in luxuriösen Gräbern der Oberschicht, deren Tote verschwenderisch geschmückt mit Hunderten kostbarer Beigaben im Inneren von mindestens 200 Pyramiden begraben wurden. Aus Abbildungen erfahren wir, dass schon seit Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. Könige über Kaminaljuyu herrschten. Eine straffe Verwaltungstand ihnen zur Seite und ermöglichte der Stadt, ihre Vorherrschaft über die gesamte Region auszuüben und kleinere Städte in Abhängigkeit zu halten – aber auch die beeindruckenden Bewässerungsanlagen zu betreiben und (Zwangs-)Arbeiter für die ehrgeizigen Bauvorhaben zu rekrutieren. Gleichwohl sonnte sich Kaminaljuyu nicht nur in Macht, Pracht und Verschwendung, sondern ließ die Kultur erblühen. Das Kunsthandwerk war von höchster Qualität, außerdem besaß die Stadt eine weit entwickelte Schrift, was anderswo zu jener Zeit allenfalls in den Anfängen steckte. Die bisher nicht entzifferte Schrift von Kaminaljuyu könnte ein Vorläufer der klassischen Maya-Schrift gewesen sein.
    Als Kaminaljuyus erste Blüte zu Ende ging, wirkte sich der Zusammenbruch auf die Region und die Handelspartner aus, vermutlich unter Wechselwirkungen mit Krisen an anderen Orten. Als Ursache des rätselhaften Niedergangs nach 200 n. Chr. wurde lange eine schwere Naturkatastrophe vermutet: der Ausbruch des Vulkans Ilopango, der jedoch nach neueren Erkenntnissen erst später stattfand und daher wohl eher auf bereits bestehende Probleme noch eins draufsetzte. Mit einiger Wahrscheinlichkeit war das Ende von Kaminaljuyu vor allem wirtschaftlich bedingt, weil das Handelssystem der Metropole zusammenbrach. Hinzu kamen Migrationsbewegungen, in deren Folge die Bewohner von Kaminaljuyu ihre stolze Stadt aufgaben, sowie insbesondere massive Umweltprobleme, weil der Miraflores-See als wichtigste Wasserquelle unter anderem zur Bewässerung der Maisfelder auszutrocknen begann und sich damit die Ernährungssituation verschlechterte. Wieder einmal bereitete der Maisgott einem vermeintlich unaufhaltsamen Aufschwung ein vorläufiges Ende.
    Krisenhafte Veränderungen beendeten einerseits diese große Epoche, bereiteten gleichzeitig aber auch den Boden für die größte Blüte der Maya-Kultur in der sogenannten klassischen Phase, die sich historisch erheblich

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