Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
zur Regeneration, in denen der Wald wieder heranwächst. Über die Jahrhunderte verbesserten die Maya ihre Ernteerträge mit Methoden, die den jeweiligen regionalen Bedingungen angepasst waren. Sie legten Hochäcker und Terrassenfelderan, bauten Bewässerungssysteme, in deren Kanälen gleichzeitig Fischzucht betrieben wurde. Je intensiver die Landwirtschaft wurde, desto anfälliger war sie allerdings auch für Überbeanspruchung, Dürre und andere Umwelteinflüsse.
Von dem einen Volk der Maya kann man guten Gewissens nicht sprechen, sondern von vielen, denn es handelt sich eher um eine Völkerfamilie gemeinsamer Abstammung und »Ursprache«, die sich über die Jahrtausende hinweg jedoch auseinanderentwickelt hat, sodass noch heute die Maya Mittelamerikas rund 30 verschiedene Sprachen sprechen, manche sichtlich verwandt, andere mit großen Unterschieden zueinander. Somit hat jedes Maya-Volk seine eigene Geschichte, die zu erforschen bis heute eine beträchtliche Herausforderung darstellt. Das liegt zunächst an der schlechten Überlieferung: bedingt sowohl durch das Klima, das vieles rasch verrotten lässt und Ausgrabungen weniger ertragreich macht als anderswo, wie auch durch die spanische Herrschaft, die der reichen, aber aus christlicher Perspektive heidnisch-minderwertigen Kultur voller Geringschätzung schreckliche Zerstörungen beibrachte. Der Conquista fielen durch Eroberung, Besatzung und aus Europa eingeschleppte Krankheiten nicht nur ungezählte Menschen zum Opfer, auch die kulturellen Errungenschaften erlitten schwerste Schäden. Die reiche Buchkultur der späten Maya beispielsweise haben die Spanier als teuflisches Machwerk vernichtet, oder die Handschriften fielen geächtet und vernachlässigt der Feuchtigkeit zum Opfer. Überlebt haben nur durch Zufall ein paar wenige Codices und die vielen Steininschriften in den Ruinen der Maya-Städte – von denen wiederum auch nur ein Teil bisher überhaupt gefunden, geschweige denn erschöpfend erforscht wurde.
Eine weitere Herausforderung bedeutet die komplizierte Schrift. Die spektakulären Fortschritte der Maya-Forschung der vergangenen Jahrzehnte wären undenkbar ohne die Entzifferung der Hieroglyphen– es handelt sich um das am weitesten entwickelte der mesoamerikanischen Schriftsysteme. Auch unser heutiges Wissen über ihre astronomische Forschung und die mythologische Bedeutung der Gestirne beispielsweise wäre andernfalls rudimentär geblieben. Lange hielt man es für ausgeschlossen, dem Geheimnis der exotischen Schriftzeichen überhaupt auf die Spur zu kommen, und verließ sich in der Erforschung der alten Maya notgedrungen auf die wenigen anderen Quellen – was zu einigen völlig falschen Auffassungen über die Maya führte, wie wir heute wissen. Was der Forschung in unermüdlicher Kleinarbeit mit der Entzifferung der Maya-Schrift schließlich doch gelang, kann es mühelos mit der ungleich berühmteren Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen durch den französischen Sprachwissenschaftler Jean-François Champollion 1822 aufnehmen.
Im Laufe einer viele Jahrhunderte währenden Entwicklung, die von verbesserten Anbaumethoden, steigendem Wohlstand und der Herausbildung vielschichtiger Gesellschaftsstrukturen gekennzeichnet war, kam es seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. bei rasch wachsender Bevölkerung zu einer ersten Blüte der Maya-Kultur. Ablesbar ist der Anstieg der Bevölkerungszahl – wofür die Maya den Maisgott als Spender der Fruchtbarkeit priesen – an der rapide zunehmenden Zahl von Siedlungen; das kulturelle Erblühen zeigt unter anderem die aufwändiger werdende, monumentale Architektur. Aber nicht nur werden die Bauten größer und repräsentativer, ihr Äußeres wird auch reichhaltig verziert, mit farbig akzentuierten Stuckmasken, die beispielsweise Gottheiten der Maya abbilden. Wer den Befehl für solche Baumaßnahmen gibt, muss genügend Macht und Autorität besitzen und gleichzeitig über die notwendigen Bevölkerungsressourcen für ihre Ausführung verfügen. Gleichzeitig muss aber auch der nötige Sachverstand vorhanden sein, mithin spezialisierte Handwerker, und in der Bautechnik hatten die Maya den anderen mesoamerikanischen Völkern schon damals einiges voraus.
Als Voraussetzung für den Aufschwung hatte sich eine folgenschwere Veränderung in der Gesellschaftsstruktur vollzogen: In kleinen Dörfern hatten Häuptlinge und Schamanen genügt, um das Gemeinwohl zu steuern und religiösen Pflichten nachzukommen. In größeren
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