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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Lächeln fügte er hinzu: »Die Walpurgisnacht liegt zwei Monate zurück, da wird der Herr Pfarrer wohl nicht mehr von Hexen reden.«
     
    Nach dem Gottesdienst bat Luthers Mutter an die sonntägliche Tafel. Zur Feier des Tages gab es einen gefüllten Schweinskopf, dazu eine Vorsuppe, Gemüse und andere Beilagen. »Wen habt ihr heute Morgen auf eurem Spaziergang getroffen?«, fragte der Vater, nachdem er das Tischgebet gesprochen hatte.
    »Nur Hanniel«, antwortete Luther mit vollem Mund. Als wackerer Esser schwelgte er in den aufgetischten Köstlichkeiten. »Er kam gerade vom Melken.«
    »Jaja, der Hanniel.« Der Vater trank einen Schluck Bier und wischte sich den Schaum von den Lippen. »Er ist ein braver Bursche. Aber er wird es in diesem Leben zu nichts mehr bringen. Ganz anders als du, mein Martin. Wenn du erst ein fertiger Jurist bist, will ich beim Magistrat für dich sprechen. Sicher wird man dir dann einen herausragenden Posten in der Bergwerksverwaltung anbieten. Auch eine Anstellung beim Grafen Albrecht von Mansfeld ist denkbar. Wart’s nur ab, dir stehen alle Möglichkeiten offen.«
    »Ja, Vater.« Luther wollte weiteressen, wurde jedoch von einem erschreckten Ausruf der Mutter unterbrochen, denn eine seiner jüngeren Schwestern, Margarete oder Dorothea, hatte den Salznapf versehentlich umgeworfen. Eilig wurde das Unglück beseitigt, und die Mutter rief: »So viele Salzkörner man verstreut, so viele Tage muss man vor der Himmelstür stehen!«
    »Hast du sie denn gezählt, Mutter?«, fragte Maria keck.
    Kaum hatte sie die vorlaute Frage gestellt, bekam sie eine kräftige Maulschelle verpasst. »Kinder haben bei Tisch nicht das Wort«, sagte die Mutter streng. »Wer nicht hören will, muss fühlen.«
    Maria wollte heulend davonlaufen, wurde aber vom Vater zurückgehalten. »Bleib, wo du bist! Iss anständig und halt den Mund.«
    Die Mutter beugte sich zu mir herüber und sagte im Flüsterton: »Sonst ist sie nicht so. Sie wird bald dreizehn. Wahrscheinlich reitet sie der Teufel, weil Ihr ein so gutaussehender junger Mann seid.«
    »Oh, danke«, sagte ich und versuchte, meine Verlegenheit zu verbergen. »Der Schweinskopf ist wirklich ausgezeichnet.«
    »Ihr schmeichelt mir. Nehmt nur noch mehr davon, es ist genug da.«
    »Nein, vielen Dank, ich platze gleich.«
    Fortan verlief die Unterhaltung in friedlicheren Bahnen, und nach dem Dankgebet bat ich, mich zu entschuldigen. Ich suchte mit Schnapp die kleine Dachkammer auf und machte einen erholsamen Mittagsschlaf.
    Anschließend ging ich hinaus auf den Hof, wo ich erneut auf Luther traf. Er saß auf dem steinernen Rand des Brunnens und schaute unglücklich drein.
    »Was ist mit dir, Martin?«, fragte ich. »Liegt dir das Essen quer im Magen?«
    »Nein, nein.«
    »Kriegst du wieder einen deiner Trübsinnsanfälle? Bitte, versuche, dagegen anzugehen, deine Eltern würden sich sonst Sorgen machen.«
    »Pah, meine Eltern! Ihre einzige Sorge ist, aus mir einen erfolgreichen Juristen zu machen.«
    »Das stimmt wohl. Aber wer will es ihnen verdenken?«
    »Ich kann es nicht mehr hören! Vaters Gedanken kreisen nur noch um mein Studium. Alles andere interessiert ihn nicht. Das schnürt mir die Luft ab. Glaub mir, ich kann hier nicht mehr atmen. Ich bitte dich, Lukas: Lass uns morgen früh aufbrechen und nach Erfurt zurückgehen.«
    »Aber wir sind doch gestern erst angekommen!«
    »Bitte, Lukas.«
    »Wir sind fünfzig oder sechzig Meilen unterwegs gewesen, nur um morgen schon wieder fortzugehen?«
    Luther sah mich flehend an.
    »In Gottes Namen, meinetwegen. Aber wie du das deinen Eltern beibringst, ist deine Sache.«
    Wie nicht anders zu erwarten, war es nicht leicht, die Eltern von der Notwendigkeit unseres eiligen Aufbruchs zu überzeugen, aber als Luther nach vielem Hin und Her sagte, er müsse den
Codex juris
weiter durcharbeiten, damit er ihn so schnell wie möglich für die kommenden Semester beherrsche, gab das den Ausschlag. Die Mutter hatte ein Einsehen, und selbst der Vater lenkte ein.
    »Es war ein hartes Stück Arbeit«, seufzte Luther, als wir am Montagmorgen Mansfeld auf der alten Handelsstraße nach Süden verließen. »Aber nun atme ich wieder frei.« Er warf die Arme in die Luft und sang aus voller Brust:
    »Frei, frei, frei –
    sind all’ meine Gedanken!
    Frei, frei, frei –
    und ohne alle Schranken!
    Frei, frei, frei –
    o Gott, ich muss dir danken!«
    Er sang die Verse wie einen Choral. Dann fiel er auf die Knie und sprach ein inniges

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