Der Medicus von Heidelberg
erfreuen durfte. Als Ordinarius an der Ruperto Carola war er steuerbefreit und kam überdies in den Genuss regelmäßiger Zuwendungen seines Landesherrn, die neben einem Salär von zweihundertfünfzig Goldgulden auch aus Naturalien wie einem Schwein pro Jahr, drei Malter Weizen und drei Fässern Wein bestanden.
Kein Zweifel, den Herrn Professor plagten keine Sorgen. Im Gegensatz zu mir, dem er das weitere Studium nicht gestatten wollte.
Ich hakte nach, denn mir war ein Einfall gekommen. »Ihr verlangt einen Beweis für mein Studium, Herr Professor. Wäre dieser erbracht, wenn ich Euren derzeitigen Gesundheitszustand zutreffend diagnostizieren würde?«
Koutenbruer runzelte die Stirn. »Abgesehen davon, dass ich mich einigermaßen wohl befinde, wüsste ich nicht, wie Ihr das anstellen wolltet.«
»Lasst Ihr es darauf ankommen?«
Koutenbruer hüstelte und ließ sich Zeit. »In Gottes Namen, ja.«
»Nun, Herr Professor, zunächst laboriert Ihr vermutlich an einer Schleimbeutelentzündung in der rechten Schulter. Sie verursacht schmerzhafte Beschwerden, die dazu führen, dass der Arm kaum nach oben bewegt werden kann. Die Symptome fielen mir am Anfang unseres Gespräches auf, als Ihr ein Buch in das Regal über Euch zurücklegen wolltet. Gottlob scheint die Entzündung schon weitgehend abgeklungen zu sein, wahrscheinlich, weil Ihr ein Pfefferpflaster aufgelegt habt. Pfeffer ist warm und bekämpft die Wärme der Entzündung. So wird Gleiches durch Gleiches geheilt, getreu dem Satz:
Similia similibus curentur.
Außerdem quälen Euch manchmal Magen und Galle. Die scharfen Falten entlang der Nase zu den Mundwinkeln hinunter und Eure Gesichtsfarbe deuten darauf hin. Ihr solltet den Alkohol meiden und nur gut verträgliche, leicht verdauliche Nahrung zu Euch nehmen. Meidet fettes Fleisch und esst stattdessen Geflügel. Verzehrt, wenn der Wochenmarkt es feilbietet, Gemüse, jedoch möglichst keinen Kohl, da er Blähungen begünstigt und wenig hilfreich ist. Ferner scheint Ihr auf dem linken Ohr schlechter zu hören. Ein Indiz dafür ist, dass Ihr bei meinen Antworten stets die rechte Seite Eures Kopfes nach vorn neigt. Habt Ihr das Ohr schon einmal von einem Kollegen untersuchen lassen? Manchmal sitzt nur ein dicker Pfropfen im Gehörgang, der mit warmem Wasser und einer Portion Geduld herausgelöst werden kann …«
»Genug, genug!« Ein flüchtiges Lächeln, halb belustigt, halb befremdet, durchbrach Koutenbruers ernste Gesichtszüge. »Ihr redet wahrhaftig wie ein Arzt daher, und wenn Ihr noch weiterredet, werde ich womöglich wirklich krank. Ich will Euch glauben, auch wenn Euer Befund der Schleimbeutelentzündung fehlgeht, weil es das Zipperlein ist, das mir in der Schulter sitzt. Immerhin, das andere mag stimmen. Schreibt Euch morgen Vormittag ein und kommt übermorgen zu Eurer ersten Vorlesung bei mir. Sie findet im Auditorium Medicum statt.«
Er erklärte mir, wo die Schreibstube lag, in der ich mich immatrikulieren konnte, nannte mir die Kosten und fuhr dann fort: »Das Auditorium Medicum liegt gegenüber dem Barfüßerkloster, hier ganz in der Nähe. Ihr könnt es gar nicht verfehlen.«
»Von Herzen Dank, Herr Professor«, sagte ich und blieb unschlüssig sitzen.
Koutenbruer, der sich schon halb erhoben hatte und mir die Hand zum Abschied reichen wollte, hielt inne. »Was ist denn noch, Nufer? Ich denke, es ist alles geklärt?«
»Das ist es auch, Herr Professor. Nur … um es frei heraus zu sagen, ich habe noch keine Bleibe. Ihr seht selbst, ich habe einen Hund, Schnapp mit Namen, er ist mein treuester Begleiter, doch gleichzeitig ein Hindernis bei der Suche nach einer Unterkunft. Ich habe schon im Haus für Universitätsangehörige angefragt, aber dort dürfen nur Pedelle und andere Bedienstete der Ruperto Carola wohnen. Auch habe ich es im Collegium Dionysianum und bei verschiedenen anderen Bursen versucht, aber es war vergebens.«
»Könnt Ihr Euch nicht von dem Hund trennen?«
»Niemals.«
»Nun, nun.« Koutenbruer wischte sich mit dem Zeigefinger die Nase, einmal hin, einmal her, und sagte dann: »Das ist ein Problem. Sagt, habt Ihr einen gesunden Schlaf?«
Ich blickte verwundert drein. »Ich denke schon, Herr Professor.«
»Dann könntet Ihr im Gebärhaus nächtigen. Das Gebärhaus ist ein Teil des Stadthospitals, welches am Kornmarkt liegt. Es hat den Ruf, eine Einrichtung zu sein für Mütter mit Kindern, die in Sünde gezeugt wurden, aber das stimmt natürlich nicht. Jedenfalls nicht ganz.
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