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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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einer der Kundigen Frauen des Gebärhauses. Sie war jenseits der fünfzig, klug, umsichtig, erfahren, und hieß Rosanna. Sie war schon manches im Leben gewesen, Novizin, Nonne, Eheweib, Mutter und Wehmutter, und niemand konnte ihr etwas vormachen. Ich kam unbeabsichtigt dazu, als sie gerade die wund gewordenen Brustspitzen einer Wöchnerin behandelte, und ich hörte sie sagen: »Du musst immer darauf achten, dass dein Kind die ganze Brustwarze mit dem Vorhof im Mund hat, wenn es trinkt. Dann zwickt es nicht so. Und wenn das Kleine dabei einschläft, steckst du ihm seitlich den Finger in den Mund, dann kannst du es besser ablösen. Hast du das verstanden?«
    Nachdem die Wöchnerin genickt hatte, blickte sie auf und entdeckte mich. »Darf man erfahren, was Ihr hier zu suchen habt?«, fragte sie.
    Unwillkürlich streckte ich mich. »Mein Name ist Lukas Nufer, ich bin Studiosus der Medizin, und ich wohne hier.«
    »Hier? Wohl kaum.«
    »Ich meine, im zweiten Oberstock. Professor Koutenbruer und der Spitalmeister Waldseer waren so freundlich, mir eine der Wäschekammern zu geben.«
    »Ach, der seid Ihr.«
    »Ja, der bin ich.«
    Ohne Hast bedeckte Rosanna die Blöße der Wöchnerin. »Ich habe gehört, Ihr besitzt einen Hund?«
    »So ist es.«
    »Ich mag Hunde. Sie sind treuer als Männer.«
    »Das kann ich nicht beurteilen.«
    »Aber ich.«
    Langsam begann ich, mich zu ärgern. »Darf ich auch mal etwas fragen?«
    »Bitte.«
    »Woraus setzt sich die Salbe zusammen, die Ihr zur Wundbehandlung genommen habt?«
    »Wollt Ihr das wirklich wissen?«
    »Würde ich sonst fragen?«
    Rosanna erhob sich und ging in den Nebenraum mit den Arznei- und Instrumentenschränken. Sie öffnete eine Tür und nahm einen Tiegel heraus. »Es ist das Wollfett des Schafs, angereichert mit Kamille.«
    Ich nahm den Tiegel mit der Salbe und roch daran. »Warum nehmt Ihr nicht den Extrakt der Ringelblume dazu?«, fragte ich. »Die Ringelblume wirkt seit alters her entzündungshemmend.«
    Rosanna sah mich forschend an.
    »Ihr könntet auch den Saft des Zinnkrauts eindicken und als Salbe verwenden. Damit sind gute Ergebnisse zu erzielen.«
    »Ja, da habt Ihr wohl recht«, sagte sie gedehnt. »Ihr scheint mehr zu können, als neugierig zu gucken.«
    Ich lächelte. »Danke.«
    »Ich sage immer, was ich denke.«
    »Ich würde gern noch mehr können. Ich möchte alle Handhabungen beherrschen, die Ihr beherrscht.«
    »Ihr, ein Studiosus? Wollt Ihr zur Wehmutter werden?«
    Ich lächelte weiter, wenn auch etwas unsicher. »Warum nicht?«
    »Das lasst mal nicht den Professor Koutenbruer hören.«
    »Meint Ihr, er hätte etwas dagegen?«
    Rosanna schürzte die Lippen. »Sagen wir mal so: Er ist ein sehr guter Theoretiker.«
    »Aha.« Ich nickte verstehend, sagte aber nichts dazu.
    »Was habt Ihr denn für einen Hund?«
    »Einen großen schwarzen Mischlingsrüden.«
    »Ich würde ihn gern einmal sehen.«
    »Er wird Euch früher oder später über den Weg laufen, aber dann müsst Ihr aufpassen, dass er Euch nicht über den Haufen rennt.«
    »Das werde ich.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
     
    Eine Woche darauf, am fünfundzwanzigsten August, fand die von Professor Koutenbruer angekündigte Vorlesung über den Monatsfluss der Frau statt. Der kleine Ordinarius saß wieder auf seinem erhöhten Stuhl und begann die Lektion mit einer überraschenden Feststellung: »Frauen im menstruierenden Alter werden nur sehr ungern zur Weinherstellung herangezogen.«
    Damit hatte er wie beabsichtigt die Aufmerksamkeit aller gewonnen. »Nun, meine Herren, kann sich jemand denken, was der Monatsfluss mit der Weinherstellung zu tun hat?«
    Da keiner eine Idee dazu hatte, auch ich nicht, fuhr er fort: »In früheren Zeiten nahm die Mehrzahl der Frauen nichts, um den Fluss ihrer Monatsblutung aufzuhalten. Die austretende Flüssigkeit wurde nicht beachtet und lief häufig einfach am Bein herab. Auch heute noch nehmen viele arme Frauen nichts, was den Fluss verhindern könnte, darunter auch Winzerfrauen. Wenn diese während ihrer Periode barfuß im großen Bottich stehen und die Trauben zertreten, nun, was glaubt Ihr wohl, was dann passiert?«
    Ein Raunen ging durch die Reihen. Die Herren Studiosi hatten verstanden.
    »Womit ich zu dem komme, was dem Auffangen des Flusses dienlich sein kann. Wir unterscheiden innerlich und äußerlich zu tragende Mittel. Fangen wir mit den äußerlichen an, denn sie sind schnell abgehandelt. Es sind Binden oder Streifen aus aufsaugendem

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