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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Fenster, dafür eine Tür, so schmal wie ein Spalt. Ich betätigte den Klopfer und wartete.
    Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür. Eine junge, schöne Frau blickte mich an.
    »Verzeiht«, murmelte ich. »Ich habe mich wohl in der Tür geirrt.«
    Sie lächelte und zeigte auf meinen großen Hund. »Ist das Schnapp?«
    »Ja, allerdings.«
    »Dann musst du Lukas sein. Ich bin Rahel. Komm herein.« Sie ging voran, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, und führte mich in einen Raum, der eher einem Schlauch glich, denn er war sicher fünfmal länger als breit. Darin saß Fischel an einem Tisch und strahlte mich an. Er hielt einen Säugling im Arm und rief: »Wie ich sehe, hast du mein Weib schon kennengelernt. Großer Gott, was ist aus Schnapp geworden! Ein Reittier? Schalom, mein Freund! Das ist übrigens Simon.« Er hielt mir den Säugling entgegen, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihn auf den Arm zu nehmen.
    Fischel tätschelte Schnapp und lachte. »Ein Kind steht dir gut! Sag, bist du inzwischen auch verheiratet? Wie ist es dir ergangen?«
    Rahel nahm mir Simon ab und sagte: »Willst du Lukas die ganze Zeit stehen lassen? Setz dich, Lukas, es gibt gleich Essen.« Sie trug das Kind zu einer Wiege und bettete es hinein.
    »Es ist ein ruhiges Kind«, sagte Fischel stolz.
    »Ja«, sagte ich und setzte mich. »Es scheint eher nach der Mutter zu kommen.«
    Fischel lachte wieder. Er wirkte sehr glücklich. »Lass uns einen guten Wein trinken, bevor Rahel mit ihren Köstlichkeiten anrückt. Die Rebe ist zwar nicht koscher, aber ich habe mir sagen lassen, sie schmeckt trotzdem.« Er schenkte zwei Becher voll und prostete mir zu. »Auf unser Wiedersehen,
amicus meus.
«
    »Auf unser Wiedersehen, mein Freund.«
    Wir tranken, und Fischel sagte: »Es ist lange her, dass wir einander im Schilf des Rheinufers Lebewohl sagten.«
    »Anderthalb Jahre.«
    »Anderthalb Jahre nur? Es kommt mir viel länger vor.«
    »Wahrscheinlich, weil du so viel erlebt hast. Du hast mittlerweile ein Heim mit Frau und Kind. Erzähle mir, wie es dazu gekommen ist.«
    Fischel schüttelte den Kopf. »Nein, fang du an.«
    Bevor ich antworten konnte, stellte Rahel eine große Schüssel auf den Tisch und sagte: »Am besten, wir fangen mit der Suppe an. Es ist gute Suppe, dazu gibt es selbstgebackenes Linsenbrot und einen Gurkensalat.«
    Wir aßen, und ich lobte Rahel für die schmackhafte Speise. Als wir fertig waren, sagte Rahel: »Ich hätte nicht geglaubt, dass der Erhabene, dessen Name gepriesen sei, jemals ein Treffen zwischen uns herbeiführen würde. Du musst wissen, Lukas, dass Fischel von niemand anderem so oft geredet hat wie von dir. Schon beim ersten Mal, als ich ihn traf, war das so.«
    »Wo habt ihr euch denn zum ersten Mal getroffen?«, fragte ich.
    Fischel ergriff Rahels Hand und antwortete ungewohnt ernst: »Ein oder zwei Meilen nördlich von Breisach war’s. Du weißt sicher noch, dass ich mich mit meinem toten Onkel den Rhein hinuntertreiben ließ, weil ich ihm irgendwo am Ufer ein Begräbnis nach jüdischem Ritual ermöglichen wollte. Doch das war leichter gesagt als getan. Man kann eine Leiche nicht unbegrenzt an der frischen Luft transportieren, und die Rabbis wachsen in diesem Land nicht einfach auf Bäumen. Drei Tage war ich bereits unterwegs, als ich mich genötigt sah, den Nachen ans Ufer zu steuern, um den Onkel selbst zu begraben. Ich dachte, niemand würde mich beobachten, als ich ihn aus dem Nachen hob, aber ich hatte mich geirrt. Eine junge Jüdin, die am Fluss Wäsche wusch, hatte mich gesehen – Rahel.«
    Rahel nickte.
    »So fand alles doch noch ein gutes Ende?«, fragte ich.
    »Ja und nein«, sagte Fischel. »Einen Rabbi fand ich nicht, wohl aber die wunderbarste Frau der Welt.«
    Rahel errötete und erhob sich rasch, um nach dem kleinen Simon zu sehen.
    Fischels Blick begleitete sie liebevoll. »Sie ist eine geborene Chajim, eine der letzten Lebenden ihrer Familie. Ihr Vater David hat uns getraut. Es war an einem Dienstag unter freiem Himmel, und David tat alles, was ein Rabbi tun muss, auch wenn er keiner war. Er segnete das Glas mit dem Wein und ließ uns daraus trinken, und er hieß mich, den Ring über Rahels rechten Zeigefinger zu streifen und dazu die vorgeschriebenen Worte zu sprechen:
Durch diesen Ring seiest du mir angelobt entsprechend dem Gesetz von Moses und Israel.
Einen Ehevertrag setzte David nicht auf, aber er gab Rahel zehn Goldgulden mit auf ihren Weg, denn wenn der

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