Der Medicus von Heidelberg
Mann seine Frau nicht kleiden und ernähren kann, soll es die Frau für den Mann tun, so sagte er. Zum Schluss verlas David die sieben Hochzeitssegenssprüche, wir tranken jeder noch einen Schluck Wein, und ich zertrat das Weinglas mit dem Fuß.«
»Warum bist du nicht in Breisach geblieben?«, fragte ich.
Rahel kam zurück und setzte sich wieder zu uns. »Er wollte unbedingt nach Heidelberg.«
»Ich erinnere mich«, sagte ich. »Aber warum?«
Fischel wischte mit einem Stück Linsenbrot die Schüssel aus und führte den Bissen zum Mund, dann sagte er fast feierlich: »Ich wollte nach Heidelberg, weil alle meine Vorfahren in der Judengasse gewohnt haben. Jedenfalls bis zu dem großen Pogrom anno 1391 , als alle Juden aus der Pfalz vertrieben wurden. Nachdem mit Onkel Nathan der Letzte meiner Verwandten gestorben war, wollte ich ihnen nahe sein.«
»Aber in Heidelberg sind Juden genauso wenig erwünscht wie in Basel«, wandte ich ein.
»Wem sagst du das.« Fischel seufzte. »Deshalb weiß auch kein Mensch hier, welchen Glaubens ich bin. Es ist für die Leute nicht wichtig, weil ich selbst nicht wichtig bin. Ich bin nur ein Fischerlehrling im ersten Lehrjahr, und solange ich das bin, kann ich in Ruhe hier leben.«
»Vier Jahre muss er lernen wie alle Lehrlinge«, warf Rahel ein. »Dann kann er die Gesellenprüfung machen.«
»Das würde ich wohl können«, fuhr Fischel mit Bitterkeit fort, »genauso, wie ich zwei Jahre als Geselle arbeiten könnte, danach meinen Meister machen könnte, das Bürgerrecht erwerben könnte und der Zunft beitreten könnte – wenn ich nicht ein Jude wäre. So aber werde ich mit Rahel und Simon irgendwann weiterziehen müssen.«
Ich schwieg und kraulte Schnapp, der sich am Boden zusammengerollt hatte.
»Aber wir wollen keine Grillen fangen! Heut ist heut, und der Erhabene, dessen Name gepriesen sei, hat deine Schritte nach Heidelberg zu uns gelenkt.« Fischel zwang sich zu einem Grinsen und füllte die Becher neu. »Vielleicht wird er noch mehr für uns tun, denn meine Rahel ist sehr fromm, und auch ich bemühe mich, regelmäßig das
Schachress,
die
Mincha
und das
Majrew
zu beten.«
Rahel umschlang seine Schultern mit den Armen und sagte, zu mir gewandt: »Aus ihm wird nie ein frommer Jude werden, aber ich liebe ihn auch so.«
»Er ist es wert.«
»Unsinn, reden wir nicht weiter von mir, reden wir von dir«, sagte Fischel. »Aus Schnapp ist fast ein Pferd geworden, was mich auf meinen alten Gaul bringt. Wie ist es Aaron ergangen? Hast du gut für ihn gesorgt? Wo ist er jetzt?«
»Du stellst viele Fragen auf einmal«, sagte ich. »Aber ich will versuchen, alles der Reihe nach zu erzählen. Vielleicht mit einer Ausnahme, da du, Fischel, gefragt hast, ob ich verheiratet bin: Ja, ich bin es. Ich habe heute in der Heiliggeistkirche eine alte Obstverkäuferin geehelicht.«
Fischel schaute verdutzt. »Du willst mir einen Bären aufbinden?«
Rahel sagte: »Ich glaube, es stimmt, was Lukas sagt. Aber es steckt mehr dahinter.«
Ich lächelte. »In der Tat, so ist es.« Und ich berichtete, was zwischen Odilie und mir am gleichen Tag geschehen war. Dann erzählte ich meine Geschichte von Anfang an. Es war ein langer, ehrlicher Bericht, der nichts ausließ und nichts hinzufügte, denn Fischel war mein ältester Freund, und ich wusste, dass ich ihm und Rahel vertrauen konnte.
Als ich geendet hatte, schwieg er eine Weile, denn selbst ihm hatte es die Sprache verschlagen. Schließlich sagte er: »Wenn ich nicht genau wüsste, wer mir das alles erzählt hat,
amicus meus,
würde ich kein Wort davon glauben. Aber du hast es erzählt, und du hast sogar einen Beweis dafür, dass es stimmt: die fehlenden Finger an deiner rechten Hand. Sag, behindert dich das nicht in deinem Studium?«
Seine Frage gab mir Gelegenheit, über Koutenbruer und meine Unterkunft im Gebärhaus zu sprechen, und als ich auch das berichtet hatte, sagte ich: »Ich fürchte, ich muss jetzt gehen. Es ist spät geworden.«
Fischel wollte abwehren, aber Rahel sagte: »Fischel muss morgen früh zur dritten Stunde mit den Fischern hinaus, da ist es ganz gut, wenn wir noch ein wenig Schlaf bekommen. Danke, dass du uns besucht hast. Es ist gut, Freunde zu haben.«
»Dasselbe gilt für Schnapp und mich«, sagte ich. »Wir sollten uns von nun an regelmäßig sehen.«
»Ja, das sollten wir.« Fischels Augen leuchteten. »Vielleicht lerne ich dann endlich mal eine echte Prinzessin kennen.«
Drei Tage später begegnete ich
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