Der Medicus von Heidelberg
Material. Nun zu den innerlich zu tragenden Dingen: Es sind von alters her das Moos und das Fell, dann die kleinen Gefäße, von denen die Menstruationstasse das bekannteste ist, und der Naturschwamm. Zur Tasse ist zu sagen, dass sie eine sich verjüngende Form haben soll und regelmäßig ausgeleert werden muss. Beim Naturschwamm,
Spongia officinalis,
ist zu erwähnen, dass er ähnlich wie die Tasse – aber im Gegensatz zum Moos und Fell – über einen längeren Zeitraum verwendet werden kann, ständige Reinigung vorausgesetzt.«
Koutenbruer hielt inne, trommelte mit den Fingern auf seine Unterlagen und setzte seine Vorlesung fort: »Doch zurück zum Monatsfluss: Wir bezeichnen ihn so, weil sein Zyklus wie der Mondmonat achtundzwanzig Tage umfasst. Gewöhnlich jedenfalls. Auch sprechen wir von der Menstruationsblutung, denn
menstruus,
das muss ich Euch nicht sagen, meine Herren, heißt nichts anderes als monatlich.
Der Blutfluss dauert drei bis fünf Tage und dient der Reinigung des weiblichen Körpers. Schlechtes Blut wird ausgeschieden, damit sich neues bilden kann. Die Abergläubischen unter uns behaupten, eine Frau mit Monatsfluss dürfe nicht Sahne schlagen, nicht Obst einkochen und Ähnliches, da sonst die Speise verderben würde. Das ist natürlich Unsinn. Kommen wir deshalb zu den erwiesenen Erkenntnissen, welche jene Tage betreffen, an denen die Frau ihren Fluss nicht hat. Es sind dreiundzwanzig. Weiß jemand, welche dieser dreiundzwanzig Tage die fruchtbaren sind? Oder anders gefragt: An welchen Tagen sollte ein Mann bei einer Frau liegen, wenn er mit ihr ein Kind zeugen will?«
Koutenbruer blickte fragend in die Runde. Ich meldete mich, doch er winkte ab. Er wusste, dass ich das Werk
Trotula major
gelesen hatte, in dem die Antwort stand. Weil niemand außer mir die Hand hob, gab er die Antwort selbst: »Es ist der dreizehnte, vierzehnte und fünfzehnte Tag nach Beginn des Flusses. Wenn der männliche Samen an einem dieser Tage in die ›weiblichen Hoden‹, wie Soran sie nennt, vordringt, kommt es zur Befruchtung. Soran spricht hier von einem Akt des Festhaltens und Anklebens.«
Koutenbruer hob den Blick und fragte, ob Soran, der alte Meisterarzt, allen ein Begriff sei. Da das nicht der Fall war, gab er die entsprechenden Erklärungen. Dann kam er wieder auf die fruchtbaren Tage zurück. »Davor und danach kann kein Weib schwanger werden. Doch kommt es immer wieder vor, dass ein Mann oder ein Weib sich verzählen. Die sicherste Gewähr zur Verhütung einer Schwangerschaft ist darum der Verzicht. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten. So etwa die Unterbrechung des Koitus oder die Verwendung von Fischblasen, die über den Penis gestülpt werden. Von den letzteren Methoden ist abzuraten, sie sind zu unsicher. Dass es Mittel und Wege gibt, ein Kind nach erfolgter Zeugung abzutreiben, etwa mit einem Aufguss der Wurzeln des Sadebaums, ist wieder ein anderes Thema.
Zurück zum Monatsfluss und zu den fruchtbaren und unfruchtbaren Tagen einer Frau, meine Herren. Alles darüber findet Ihr in den Werken der Trotula von Salerno. Doch da Ihr diese nicht alle gleichzeitig lesen könnt, habe ich zwei Dutzend Male die entsprechenden Passagen drucken lassen. Ich werde sie am Ende der Lektion zur Verteilung bringen.
So weit, so gut. Nun, da wir wissen, wann die Frau fruchtbar ist, wissen wir im Umkehrzuge auch, wann sie nicht fruchtbar ist. An fünfundzwanzig Tagen nämlich. Manch einer mag sich denken, welch lange Zeit im Monat er damit der Fleischeslust frönen kann, doch halt! Er vergisst die unreinen Tage der Frau. In diesem Zusammenhang darf ich auf die Heilige Schrift verweisen. Da finden wir im Dritten Buch Mose, Kapitel 15 , Vers 19 , folgenden Text:
Und wenn eine Frau an Fluss leidet und ihr Fluss an ihrem Fleisch Blut ist, soll sie sieben Tage in ihrer Absonderung sein. Und jeder, der sie anrührt, wird bis zum Abend unrein sein. Alles, worauf sie in ihrer Absonderung liegt, wird unrein sein, und alles, worauf sie sitzt, wird unrein sein. Und jeder, der ihr Lager berührt, soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird bis zum Abend unrein sein …
nun ja, und so weiter. Ihr seht, meine Herren, die Unreinheit der Frau ist sehr ernst zu nehmen, und Reinlichkeit ist oberstes Gebot. Jeder Frau ist anzuraten, in der bewussten Zeit ein Schwämmchen oder Ähnliches zu tragen, sie wird sich dann auch wohler fühlen.«
Koutenbruer stand auf, alle dachten schon, die Vorlesung sei beendet,
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