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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Doch es fiel mir schwer, bei der Sache zu bleiben, denn immer wieder hörte ich unter mir Stimmen und Rufe, vernahm das Scharren von Füßen, das Verschieben von Gegenständen, das Schließen von Türen.
    Ich begann zu ahnen, was da vor sich ging, und beschloss, mir Gewissheit zu verschaffen. Ich stieg die Treppe hinab zu der abgeteilten Kammer, die im Haus »das adlige Zimmer« genannt wurde, und klopfte. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, ein Gesicht erschien dahinter. Es gehörte einer der Kundigen Frauen.
    »Wird hier ein Kind geboren?«, fragte ich.
    »Pst, nicht so laut«, wies sie mich zurecht.
    »Ich war nicht lauter als die Geräusche in dieser Kammer«, erwiderte ich. »Wie es scheint, kreißt eine Frau seit Stunden darin. Ich möchte wissen, wie lange noch, denn ich wohne direkt darüber und kann mich beim Lernen nicht konzentrieren.«
    Ohne eine Antwort wollte die Frau die Tür wieder schließen, aber ich sagte: »Halt, so geht das nicht. Wenn Rosanna bei Euch ist, will ich sie sprechen.«
    »Wartet.« Die Tür schloss sich.
    Augenblicke später öffnete sie sich wieder. Diesmal ganz. Rosanna stand im Rahmen und nickte mir zu. »Aha, der Herr Studiosus. Bislang ging Euch das, was hier geschieht, nichts an, aber jetzt kommt Ihr wie gerufen.«
    »Wie meint Ihr das?«, fragte ich.
    »Eure Ausbildung zur Wehmutter geht weiter. Kommt herein.« Sie ergriff meinen Arm, dirigierte mich in den kleinen Vorraum der Kammer und blieb dort stehen. »Ihr wisst, dass im adligen Zimmer Diskretion das oberste Gebot ist«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Die Damen, die darin niederkommen, zahlen dafür einen hohen Preis. Aber sie erwarten nicht nur Verschwiegenheit, sondern auch ein rasches, schmerzfreies Gebären unter kundiger Leitung. Eben deshalb ist auch Professor Koutenbruer hier. Er spricht der Dame Mut zu und hält ihr die Hand.«
    »Mehr nicht?«, entfuhr es mir.
    Rosanna machte eine Geste, als wolle sie fragen: Hattet Ihr mehr erwartet? Doch die Bemerkung unterblieb, und sie fuhr fort: »Wer die Dame ist, die so geheim niederkommen will, weiß nur der Professor. Fragt mich deshalb nicht, um wen es sich handelt. Fest steht aber, dass wir es mit einer schwierigen Geburt zu tun haben.« Sie hielt inne und sah mich durchdringend an. »Mit einer sehr schwierigen.«
    »Ich glaube nicht, dass ich Euch helfen kann. Ganz davon abgesehen, dass meine Anwesenheit weder der Unbekannten noch dem Professor recht sein dürfte.«
    »Das lasst nur meine Sorge sein. Hört zu: Das Kind hat eine unnatürliche Lage, bei der alle Maßnahmen und Griffe vergebens sind. Bisher jedenfalls. Ich habe es mit einem Stöckchen versucht und … ach was, das seht Ihr Euch lieber selbst an.«
    Sie führte mich in die Kammer, und ich blieb unwillkürlich stehen. Zu ungewöhnlich war der Anblick, der sich mir bot. Das prächtige Pfostenbett war zur Seite gerückt und verdeckte das Fenster. In der Mitte des Raumes stand der gepolsterte Gebärstuhl, in dem eine Frau eher lag als saß. Ihr Gesicht war schwarz verhüllt, wie man es bei Frauen sieht, die nicht zu Gott, sondern zu Allah beten. Nur zwei kleine Öffnungen im Tuch gaben ihr die Möglichkeit, etwas zu sehen. Schräg hinter ihr stand Professor Koutenbruer, beruhigend auf sie einredend. Eine weitere Kundige Frau – es war die, die mir zuerst geöffnet hatte – stand an der Kredenz und erneuerte ein paar Kerzen. Über der gesamten Kammer lag ein Geruch nach Zedern und Bergamott, der von einer Duftkugel herrührte, die zwischen den Leinentüchern in der Kastentruhe lag. Schüsseln mit dampfendem Wasser standen bereit, ebenso ein Kasten mit chirurgischem Besteck. Alles schien aufs Beste gerichtet.
    »Der Studiosus Nufer wird mir beim Holen des Kindes helfen«, sagte Rosanna, an Koutenbruer gewandt. Sie sagte es mit der größten Selbstverständlichkeit, und Koutenbruer nickte zum Zeichen seines Einverständnisses. Aus irgendeinem Grund schien er froh zu sein, mich zu sehen. Die fremde Frau nickte nicht, doch glaubte ich zu erkennen, wie ihre Augen sich für einen kurzen Moment weiteten. Aber vielleicht hatte ich mich auch getäuscht.
    Rosanna trat zwischen die weit gespreizten Beine der Fremden, legte eine Hand auf den gewaltig gewölbten Leib und wies mit der anderen auf den Geburtskanal. »Seht genau hin«, befahl sie mir. »Dann werdet Ihr ein winziges Händchen entdecken, das herausragt. Das Händchen ist entzückend, aber es verheißt nichts Gutes. Es bedeutet, dass der

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