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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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sich aufrichten.
    »Langsam, Herr Bischofsvikar«, sagte ich. »Ihr habt ein wenig geschlafen, wie ich es Euch vorschlug, nun will ich Euch in eine sitzende Position helfen.«
    Als von Elfrich saß, flößte ich ihm von dem heißen Aufguss ein. »Es handelt sich bei dem Arzneitrank um die Extrakte des Weißdorns«, erklärte ich. »Trinkt in kleinen Schlucken, und lasst Euch Zeit.«
    Von Elfrich gehorchte.
    »Euer Puls ist schon wieder recht zufriedenstellend«, sagte ich. »Aber Ihr müsst in Zukunft auf Euer Herz achtgeben. Schildert die Symptome Eurem Leibarzt, damit er die weitere Behandlung an Euch vornehmen kann. Er wird Euch zu trockenen, warmen Speisen raten, denn Euer Phlegma ist feucht und kalt. Er sollte Euch im Verlaufe von drei Wochen dreimal zur Ader lassen, denn der Druck in Euren Adern ist zu hoch. Er sollte Euch ferner raten, abzunehmen, denn weniger Gewicht macht dem Herzen die Arbeit leichter.«
    Alles das sagte ich mit großem Ernst, und von Elfrich hörte mir zu. Dann zögerte ich, denn vor dem, was ich anschließend sagen wollte, hatte ich große Angst. »Herr Bischofsvikar«, sagte ich und stand dabei auf, »ich werde jetzt gehen. Ich hoffe, Euch von meinen redlichen Absichten und von meinen, äh, Fähigkeiten überzeugt zu haben. Ich wünsche Euch gute Besserung und einen guten Tag.«
    Mit weichen Knien, aber halbwegs festen Schrittes, verließ ich den Raum, jeden Moment darauf wartend, dass von Elfrich mich zurückrufen würde.
    Aber hinter mir erklang kein Wort.
     
    Der Montag darauf sah mich in der Ausübung meiner üblichen Beschäftigungen. Ich steckte die Nase in die Bücher, lernte und repetierte den durch meine Krankheit liegengebliebenen Stoff und besuchte am Nachmittag eine Vorlesung von Koutenbruer.
    Nach dem Vortrag nahm Koutenbruer mich beiseite, packte mich bei den Schultern und sah mich von unten an. »Ihr seht schon wieder recht gut aus«, sagte er. »Seid, wie es scheint, zäh wie eine Katze. Schön, dass Ihr es geschafft habt.«
    »Danke, Herr Professor«, antwortete ich etwas verdattert, denn so freundschaftliche Worte hatte der kleine Gelehrte noch nie an mich gerichtet. »Danke, dass Ihr mir mit Eurer Kunst geholfen gehabt.«
    »Dankt lieber Rosanna. Ihr scheint bei ihr einen Stein im Brett zu haben, was mich, gelinde gesagt, verwundert. Sonst ist sie die Unnahbarkeit in Person. Nun, sei es, wie es sei« – Koutenbruer wischte sich mit dem Zeigefinger die Nase, einmal hin, einmal her –, »in jedem Fall rate ich Euch, heute zeitig schlafen zu gehen, morgen wird ein ereignisreicher Tag für Euch.«
    »Ereignisreich, warum?«
    »Fragt mich nicht, ich darf es Euch nicht sagen. Nur so viel: Ich habe etwas läuten hören.«
    Damit ließ er mich stehen. Ich grübelte eine Weile über die seltsame Andeutung, beschloss dann aber, sie auf sich beruhen zu lassen. Was auch immer der Professor gemeint haben mochte, ich konnte es ohnehin nicht ändern.
    Ich ging nach Hause in meine Wäschekammer, begrüßte Schnapp, aß etwas und ging mit ihm danach in die Große Mantelgasse. Ich wusste, dass meine Handlungsweise nicht ungefährlich war, aber ich wollte unbedingt die näheren Umstände von Merles Tod und dem ihres kleinen Jungen erfahren.
    Muttchen öffnete mir und begrüßte mich wie einen alten Bekannten, was mir ein wenig unangenehm war. »Ich habe gehört, Ihr wart krank«, sagte sie, während sie mir einen Becher Wein anbot und mich zum Setzen aufforderte. »Hoffentlich nichts Ernstes?«
    »Ich habe es überstanden«, sagte ich leichthin, denn ich mochte nicht über mein Fieber sprechen. »Viel wichtiger ist, was mit Merle und ihrem Kind passierte. Ich habe erst heute von dem Unglück erfahren.«
    »Ja, es war ein großes Unglück«, bestätigte Muttchen und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Wir alle hier sind hart im Nehmen, das könnt Ihr mir glauben, Herr Medicus, weil die Obrigkeit uns häufig genug drangsaliert, aber Merles Schicksal ist uns sehr nahegegangen.«
    »Was geschah denn im Einzelnen? Als ich ging, waren beide doch noch wohlauf?«
    »Da habt Ihr wohl recht.« Muttchen schenkte sich selbst einen Becher Roten ein – nicht zu knapp, wie ich bemerkte – und fuhr fort: »Alles schien gut, doch am Mittag des nächsten Tages bekam Merle Blutungen. Erst glaubten wir, es wär nicht schlimm, doch es wurde stärker, und wir holten einen Bader, denn Ihr wart ja krank. Der Bader gab Merle etwas und ging wieder. Aber es half nichts. Die Blutungen wurden

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