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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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von Elfrich, der mich mit höflichen, aber unmissverständlichen Worten aufforderte, am zweiten Sonntag nach Epiphanias im Trinitatishaus, dem Haus der Dreifaltigkeit, zu erscheinen, und zwar direkt nach dem Gottesdienst. Ich rechnete nach und kam zu dem Schluss, dass der kommende Sonntag, der siebzehnte Januar, gemeint sein müsse. Bis dahin waren es noch drei Tage.
    »Schlechte Nachrichten?«, fragte Rosanna.
    »Wie man’s nimmt«, antwortete ich. »Der Bischofsvikar will mich sehen. Warum, ist mir ein Rätsel.«
    »Ihr müsst zum Bischofsvikar? Da seht Euch mal vor. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Ein sehr gestrenger Herr, der Herr von Elfrich.«
    »Ich wüsste nicht, was ich verbrochen haben sollte.«
    »Dann ist es ja gut.« Rosanna ging zur Tür, jedoch nicht, ohne mich noch einmal zu ermahnen, mich zu schonen. »Ihr könnt noch keine Bäume ausreißen, denkt daran. Nachher bringe ich Euch noch eine Abendmahlzeit.«
    »Danke, Rosanna, Ihr seid nicht mit Gold aufzuwiegen.«
    »Na, na, übertreibt mal nicht so. Bleibt lieber bei der Wahrheit, dann braucht Ihr dem Bischofsvikar auch nichts zu beichten.«
     
    Das Trinitatishaus am Markt gegenüber der Heiliggeistkirche war der offizielle Sitz des Fürstbischofs, wenn er in Heidelberg weilte. Es war ein stattliches Fachwerkhaus mit zwei Toren in der Fassade und schönen Fenstern aus Bleiglas.
    Ich stand davor und betätigte den Türklopfer, der den Mittelpunkt eines schweren, schmiedeeisernen Kreuzes bildete. Ich wartete. Es dauerte geraume Weile, so lange, dass ich schon wieder gehen wollte, zumal ich noch nicht bei vollen Kräften war und mir das Stehen schwerfiel. Doch schließlich öffnete mir ein ganz in Schwarz gekleideter, buckliger Mann. Er fragte nach meinem Begehr, und ich sagte ihm, warum ich gekommen war.
    »Folgt mir«, befahl er mit brüchiger Stimme. Er führte mich ins Innere des Hauses und von dort einen langen Gang entlang, dessen Aussehen mich mit Staunen erfüllte. Links, rechts und über mir befanden sich wundervolle Gemälde, sämtlich von Meisterhand gefertigt, goldumrahmt, die Genesis in ihren wichtigsten Abschnitten darstellend. Edle Hölzer und Schnitzereien verkleideten die Wände, zierliche Madonnen- und Jesusfiguren auf marmornen Podesten begegneten mir, edelsteinbesetzte Kandelaber spendeten Licht. Wenn der Bischof es darauf angelegt hat, den einfachen Gläubigen zu beeindrucken, so wird ihm das mit diesem Prunk sicher gelingen, dachte ich bei mir. Ulrich von Hutten, der Streitbare, fiel mir ein, der die Vorliebe der Kirche für Pomp und Protz so sehr gegeißelt hatte. Wie es ihm wohl ergangen war? Und was mochte den anderen Erfurter Brüdern widerfahren sein?
    In meine Gedanken hinein sagte der Bucklige: »Hier entlang.« Er stieß eine Doppeltür auf, schob mich in den Raum und nannte meinen Namen. Der Raum war vergleichsweise klein und dominiert von einem Bilderteppich auf der gegenüberliegenden Wand, der den Leidensweg Christi nach Golgatha darstellte. Davor saßen zwei Männer, der kleinere in Bischofstracht, der größere in bürgerlicher, jedoch ebenfalls feierlicher Kleidung. Er hatte Schreibzeug mit Tinte und Feder vor sich auf dem Tisch liegen, augenscheinlich der Protokollant.
    Ich nahm an, der Kleinere, ein beleibter, rotgesichtiger Mann, würde das Wort an mich richten, doch er tat etwas anderes. Er nahm das goldene Kreuz, das ihm am Halse hing, küsste es dreimal und begann singsangartig zu beten: »Vater im Himmel, der Du auf uns herabsiehst, erfülle uns mit Deiner Weisheit, schenke uns Deinen Weitblick, Deine Gerechtigkeit, Deine allumfassende Gnade, stärke unseren Willen, die Wahrheit zu erkennen, zeige uns das rechte Maß der Dinge …«
    So ging es eine Zeitlang weiter. Ich kam mir vor, als sei ich Luft. Meine Knie schmerzten, Ärger stieg in mir hoch. Was wollte man nur von mir? Ich hatte doch niemandem etwas getan. Ich beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen, und fragte laut: »Ist das der Anfang einer peinlichen Befragung?«
    Der Kleinere schaute mich an, als wäre ich eine Fliege auf seiner Hand. »Ich bin kein Inquisitor«, antwortete er mit quäkender Stimme. »Für ein Inquisitionsgericht bedürfte es mehrerer Richter sowie Wachpersonals. Aber wie Ihr seht, bin ich allein.«
    »Wer seid Ihr?«, fragte ich, obwohl ich genau wusste, wen ich vor mir hatte.
    »Das fragt Ihr ernsthaft?« Der Kleinere wandte sich mit einer herrischen Geste an den Protokollanten und befahl: »Sagt ihm, wer ich

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