Der Medicus von Heidelberg
wissen wollen, wie man Kräuter aufgießt, Blutegel setzt und Salben für die Wundheilung herstellt. Sie hatten mich ausgefragt über das Pneuma, das Sperma und den
Spiritus vitalis.
Sie hatten sich die Funktion von Instrumenten erklären und das Wickeln von Verbänden zeigen lassen, mit einem Wort: Sie hatten mich gehörig gequält, zumal sie jede meiner Antworten in Zweifel gezogen hatten – in der üblichen Form des Steitgespräches, geführt nach den Regeln der aristotelischen Logik.
Doch am Ende hatten sie von mir abgelassen. Ich war mir arg gerupft vorgekommen und umso erstaunter, als von Lindau, der leitende Temptator, plötzlich seine ernste Miene aufgab und ein verbindliches Lächeln aufsetzte. Die anderen Herren waren seinem Beispiel gefolgt, sogar der stets zurückhaltende Koutenbruer.
»Nufer«, hatte von Lindau gesagt, »Ihr seid erlöst. Die Prüfungskommission wird sich zur Beratung zurückziehen und ihren Beschluss in einer Stunde an gleicher Stelle verkünden.«
Und so war es gekommen. Von Lindau hatte mich mit feierlicher Miene und wohlgesetzten Worten zum Baccalarius
in medicina
erklärt, und Koutenbruer hatte es sich nicht nehmen lassen, mich darüber hinaus zum Inhaber eines Lizenziates für Medizin zu machen.
»Euer neuer Rang und Eure Erlaubnis zur Lehre machen Euch nach einstimmigen Beschluss zum Medicus
universitatis
«, rief von Lindau. »Willkommen im Kreis der Medici, willkommen im Kreis der Harnbeschauer und Skalpellkünstler. Tretet vor, Herr Medicus Nufer.«
Dann hatte er mir meine Urkunde überreicht, und alle Herren hatten dabei geklatscht.
»Hoho, ich klatsche auch!«, rief Fischel lauthals. »Sie haben dich nach allen Regeln der Kunst gefoltert, und du hast widerstanden. Meine Gratulation. Ich bin stolz auf dich!«
»Wir anderen sind es auch«, sagte Rosanna.
»Bringt mich nicht in Verlegenheit«, wehrte ich ab. »Dass ich den Baccalarius schaffen würde, hatte ich mir schon zugetraut, aber dass sie mich gleich zum Medicus
universitatis
gemacht haben, kam doch überraschend.«
»Für mich nicht«, meinte Fischel. »Es dürfte sich herumgesprochen haben, was du kannst.«
»Ich glaube eher, dass Koutenbruer seinen Einfluss geltend gemacht hat, um mir die Auszeichnung zu ermöglichen.«
Rosanna gab den kleinen Simon an Rahel zurück und widmete sich Schnapp, der sich zur allgemeinen Erheiterung eifersüchtig gezeigt hatte. »Es ist einerlei, wem Ihr die Auszeichnung zu verdanken habt, in jedem Fall habt Ihr sie verdient – Herr Medicus.«
»Und wie ging es dann weiter an jenem denkwürdigen Tag?«, fragte Rahel.
»Ich musste den hippokratischen Eid ablegen und dabei das Zepter der medizinischen Fakultät in die Rechte nehmen. Es war ein erhebender Augenblick.«
»Und was geschah dann?«
»Nichts mehr, das erwähnenswert wäre. Ich ging nach Hause zu Schnapp und kratzte alle meine Münzen zusammen, denn am nächsten Tag sollte meine Promotion gebührend gefeiert werden. Ich lud alle Professoren und Mitstudenten in die
Sonne
in der Oberspeirischen Straße ein. Es war ein teurer Spaß, das kann ich Euch sagen. Die
Prandia Aristoteles
hat mich ein Fass Wein, zwei Fässer Bier, Zuckerwerk und einen halben Ochsen gekostet. Es wird zwar von der Universitätsleitung nicht gern gesehen, aber ich habe es mir nicht nehmen lassen, Koutenbruer und von Lindau darüber hinaus Geschenke zu machen. Koutenbruer bekam von mir ein Paar schöne Seidenhandschuhe und von Lindau ein Paar silberne Schnallen für seine Stiefel, da ich die Größe seiner Hände nicht genau kannte.«
»Jaja, Temptator müsste man sein«, klagte Fischel mit komischer Verzweiflung, »dann würde man dafür, dass man andere traktiert, auch noch reich belohnt. Aber ich will nicht undankbar sein.«
»Wir wollen alle nicht undankbar sein«, pflichtete Rahel ihm bei. »Wir sind gesund, und unserem kleinen Simon geht es gut.«
»Ja, wir wollen zufrieden sein«, sagte auch die gestrenge Rosanna. »Wie viel Gesundheit wert ist, sehen wir jeden Tag in unseren Krankensälen.«
»Dann trinken wir auf die Gesunden, die Kranken und darauf, dass Lukas die Kranken wieder gesund macht!«, rief Fischel und hob seinen Becher.
Wir tranken, und Rosanna, die sonst keinen Tropfen anrührte, sagte: »Manchmal, wenn alles gut ist, möchte man am liebsten die Zeit anhalten.«
»Tja, und wenn alles schlecht ist, möchte man ihr am liebsten Beine machen.«
Auch darin waren wir uns einig. Wir redeten weiter, mal nachdenklich und
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