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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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war.
    Jeder der Herren nahm sich für mich ein paar Augenblicke Zeit, fragte mich nach diesem und jenem, erkundigte sich nach dem Fortgang meines Studiums und lobte mich für meine Arbeit. Koutenbruer und von Lindau nahmen mich beiseite, um mir zu erklären, dass meine Prüfung zum Baccalarius auf Samstag, den sechsten Februar, festgesetzt sei.
    »So bald schon?«, entfuhr es mir. »Ich hatte eigentlich vor, zur Sicherheit noch ein sechstes Semester zu absolvieren, weil ich krank war und auch sonst nicht immer alle Lesungen besuchen konnte.«
    Koutenbruer winkte ab und nippte an seinem Wein. »Ihr seid so weit, Nufer, wer wüsste das besser als ich. Macht das Examen, und Ihr werdet nicht nur zum Kreis der Humanisten gehören, sondern auch zum Kreis der Lehrenden an der Ruperto Carola.«
    »Danke«, stammelte ich. »Das ist ein bisschen viel auf einmal.«
    »Das ist noch nicht alles.« Von Lindau lachte vergnügt. »Ihr werdet es bei der Prüfung mit mir zu tun bekommen. Ich bin als Temptator vorgesehen, und ich habe bei Gott keine Prüfungsgeschenke zu verteilen. Aber Ihr werdet die Sache schon meistern.«
    »Das werdet Ihr«, bekräftigte Koutenbruer. »Davon bin ich überzeugt.«
    »Auch ich bin davon überzeugt.« Von Themar war herangetreten, um mit mir ein paar Worte zu wechseln. Auf diesen Augenblick hatte ich sehnlichst gewartet, denn ich hoffte, durch ihn etwas über meine Prinzessin zu erfahren. Natürlich nicht im Beisein von Koutenbruer und von Lindau, deshalb war ich froh, als beide sich nach einiger Zeit den Speisen zuwandten. »Wie geht es Prinzessin Odilie?«, fragte ich so unverfänglich wie möglich. »Ihr wisst ja, dass ich einige Wochen die Verantwortung für sie hatte, bis ich sie heil und gesund aufs Schloss zurückbringen konnte.«
    Von Themar schaute mich freundlich an. »Jaja, das weiß ich selbstverständlich.« Dann fiel ein Schatten auf sein Gesicht. »Nun, es geht ihr so weit gut. Genau kann ich es nicht sagen, da ich mich in letzter Zeit verstärkt um die Erziehung ihrer Brüder Johann und Wolfgang kümmern muss. Ich sehe sie selten, und wenn, dann nur, wenn sie im Pomeranzenwald allein spazieren geht.«
    »Danke für die Auskunft«, sagte ich höflich, nachdem ich gemerkt hatte, dass von Themar nicht mehr zu meiner Frage sagen konnte. Oder wollte er es nicht? Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, machte ein paar nichtssagende Bemerkungen und verabschiedete mich bald darauf von meinen neuen Mitstreitern der
Sodalitas litteraria Rhenana,
um den Heimweg anzutreten.
    Die Antwort von Themars war ein wenig Wasser im Wein meines Glücks gewesen und dennoch: An diesem Tag fühlte ich mich zum ersten Mal in Heidelberg richtig zu Hause.

Kapitel 16
    Heidelberg,
14 . Februar bis 18 . April 1507
    E s war Sonntag, Schnapp und ich hatten Besuch. Fischel, Rahel, der kleine Simon und Rosanna saßen dicht gedrängt in meiner Wäschekammer und tranken Wasser und Wein. Der Grund dafür war ein doppelter. Einerseits war ich vor vier Tagen einundzwanzig Jahre alt geworden, andererseits galt es, meine Promotion zu feiern. Die Prüfung zum Baccalarius lag bereits eine Woche zurück, und ich hatte die vergangene Stunde damit verbracht, meinen Freunden die Einzelheiten meines Examens zu schildern. Es hatte im Auditorium Medicum, dem Ort der medizinischen Vorlesungen, stattgefunden. Außer Koutenbruer und von Lindau, die mir als Mitglieder der
Sodalitas litteraria Rhenana
wohlgesinnt waren, hatten mich drei weitere Herren befragt. Einmal war Tannstetter in seiner Eigenschaft als Rektor der Ruperto Carola hinzugekommen, hatte den Zaungast gespielt und sich dann wieder zurückgezogen.
    Ich hatte von vornherein gewusst, dass es nicht einfach werden würde, aber dass die Herren meinten, mich derart in die Mangel nehmen zu müssen, kam doch unerwartet. Sie hatten bei Aristoteles und den griechischen Meisterärzten angefangen, hatten die arabische Medizin mit Avicenna angesprochen, dann die Schule von Salerno mit Trotula, dann die Schule von Montpellier mit Guy de Chauliac und andere mehr. Und jedes Mal hatten sie zahllose Fragen und Querfragen gestellt, so dass ich höllisch aufpassen musste, nicht aus dem Tritt zu geraten. Sie hatten mich über die Besonderheiten der Viersäftelehre ausgefragt und gleich danach alles über den Starstich am menschlichen Auge erfahren wollen. Sie hatten Auskunft über das Zusammenspiel der Muskeln verlangt und über die indische Technik der Nasenrekonstruktion. Sie hatten

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