Der Medicus von Heidelberg
mir mitteilte, ich gehöre zu den Siegern. Ungläubig folgte ich ihm zu der Festtribüne, auf der die Gewinner vor aller Augen geehrt werden sollten.
Neben den Honoratioren der Stadt und ihren Damen stand dort auch Koutenbruer, ein feinstes Tuch gekleidet und überraschenderweise mit heiterer Miene. »Nufer!«, rief er. »Ich wusste, dass Ihr die Ruperto Carola nicht blamieren würdet. Ihr habt Eure Sache gut gemacht!«
»Danke, Herr Professor«, sagte ich.
»Na, na, wer wird denn an einem solchen Tag so förmlich sein. ›Danke, Herr Kollege‹ reicht völlig.«
»Nun denn: Danke, Herr Kollege.«
»Ich werde übrigens die Ehre haben, Euch als frischgebackenen Medicus ein weiteres Mal auszuzeichnen.«
»Aber ich bin sicher, keinen Preis verdient zu haben.«
»Wartet es nur ab!«
Es folgte eine längere Ansprache des edlen Kaspar von Edingen, des Schultheißen der Stadt, die mehrfach von teils lebhaften, teils respektlosen Zwischenrufen aus der Menge unterbrochen wurde. Doch an diesem Tag war nahezu alles erlaubt.
Dann begann die Siegerehrung. Wie nicht anders zu erwarten, gehörte niemand aus meiner Gruppe dazu. Auch ich nicht.
Doch ganz am Schluss, als die Aufmerksamkeit der Menge schon fast erloschen war und die Leute sich zum anschließenden Schützenfest vor dem Rathaus aufmachten – manche von ihnen auch, um die
Sonne,
die
Taube,
das
Lamm,
das
Horn,
das
Goldene Rösslein,
den
Bären,
den
Tannenbaum
oder eines der vielen anderen Wirtshäuser Heidelbergs aufzusuchen –, ergriff Koutenbruer das Wort und rief: »Ich habe nunmehr die Freude, den Sieger unter den Teilnehmern der Ruperto Carola zu ehren. Es ist der Medicus Lukas Nufer!« Unter dem spärlichen Beifall der noch verbliebenen Anwesenden setzte er mir einen Lorbeerkranz auf den Kopf.
»Danke, zu viel der Ehre«, murmelte ich.
»Honos reddatur dignis«,
antwortete er, »Ehre, wem Ehre gebührt«, und gab mir die Hand, um mir zu gratulieren. Es folgten die Honoratioren und Patrizier, die mich mehr oder weniger flüchtig beglückwünschten, denn es zog sie ebenfalls zum Rathaus, in dessen Räumen für sie ein gesondertes Fest stattfand. Zuletzt kam die Reihe an eine junge Frau, die mir ebenso unbekannt war wie die meisten Gratulanten zuvor. Sie trug ein saphirblaues Gewand mit golddurchwirktem weitem Rock und engem Oberteil, über das sie einen Mantel mit zobelbesetztem Kragen geworfen hatte. Ihr Gesicht war verborgen unter einer Feenmaske. Sie schien es nicht so eilig zu haben wie die anderen und gab mir eine zierliche Hand, an der kostbare Ringe blitzten. »Ich wusste, Ihr würdet gewinnen«, sagte sie.
»Da wusstet Ihr mehr als ich«, antwortete ich befangen. »Verzeiht, ich kenne Euch nicht …«
»O doch, das tut Ihr«, entgegnete sie mit geheimnisvollem Unterton und nahm die Maske ab.
Vor mir stand Thérèse.
Der Einladung von Thérèse in ihr Haus folgte ich vier Tage später. Es lag an der Ecke Untere Straße und Pfaffengasse und wirkte so hochherrschaftlich, dass ich zunächst glaubte, mich in der Tür geirrt zu haben. Doch dann öffnete sich unversehens ein Fenster, Thérèse steckte den Kopf heraus und rief: »Warte einen Augenblick, Frieda öffnet gleich.«
Frieda, ein recht hübsches, junges Ding in der Tracht einer Hausmagd, ließ mich ein, trippelte mit kleinen Schritten vor mir her und machte vor einer hohen doppelflügeligen Tür halt. »Die Herrin is da drin.«
»Danke, Frieda.« Ich betrat den Raum, der mit kostbaren Möbeln und Teppichen vollgestopft war. »Guten Abend, Thérèse«, sagte ich etwas hilflos, denn ich zweifelte immer noch daran, dass ihr das Anwesen gehörte. »Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass dies dein Haus ist.«
Thérèse saß an einem Spieltisch, mischte Tarockkarten und lächelte keck. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich es zu etwas gebracht habe. Aber du wolltest es mir bei der Rathausfeier nicht glauben.«
»Das stimmt«, musste ich einräumen. »Doch da konnten wir auch kaum miteinander reden, weil dir die halbe Männerwelt zu Füßen lag.«
»Traust du mir denn so wenig zu?«
»Nun …«
»Jedenfalls habe ich meinen Reichtum nicht beim Tarockspiel erworben.« Thérèse lachte. »Falls du das gerade gedacht haben solltest.«
»Nein, nein, habe ich nicht.« Um meine Verlegenheit zu überspielen, fuhr ich fort: »Du siehst wunderschön aus, dein rosafarbenes Kleid ist ein Traum.«
Thérèse wurde ernst. »Meinst du das wirklich?«
»So wahr ich hier stehe.« Ich war froh,
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