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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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vielmehr, dass etwas mit ihm nicht stimmt.«
    »Aber was könnte das sein?«
    »Vielleicht hängt es mit seinem kranken Auge zusammen?«
    »Woher weißt du das?«
    Rahel hatte den fröhlich krähenden Simon in die Wiege zurückgelegt und geantwortet: »Ich weiß es nicht. Ich habe nur so ein Gefühl.«
    »Hast du vielleicht Gesichter?«
    »Nein, nein, vergiss meine Worte.«
    Doch Rahels Worte hatten mich nicht ruhen lassen, immer wieder war mir ihre Vermutung durch den Kopf gegangen, und schließlich hatte ich mich einer zweiten Frau anvertraut – Muttchen.
    Muttchen hatte als Erstes Heddi nach Wein geschickt, dann einen großen Becher vollgeschenkt und gesagt: »Trinkt das, Herr Medicus.«
    Als ich zögerte, hatte sie hinzugefügt: »Wenn Ihr nichts trinken wollt, ist das Eure Sache. Aber Eure Probleme werden dadurch nicht kleiner.«
    Als ich getrunken hatte, schenkte sie nach und sagte: »Was ich Euch jetzt mitteile, Herr Medicus, muss unter dem Siegel der Verschwiegenheit bleiben. Kann ich mich auf Eure Diskretion verlassen?«
    »Selbstverständlich, Muttchen, Ihr habt mein Wort.«
    »Nun gut. Ich könnte mir denken, dass derjenige, den Ihr Weiberfreund nennt, einer meiner Kunden ist. Ich weiß bis heute nicht, wer er ist, und ich will es auch gar nicht wissen. Jedenfalls hat er die Dienste meiner Mädchen oftmals in Anspruch genommen. Doch in letzter Zeit ist er nicht mehr gekommen. Es mag also sein, dass etwas mit seinem Auge ist.«
    »Danke, Muttchen«, hatte ich gesagt. »Kann ich mich für die Auskunft erkenntlich zeigen und eines Eurer Mädchen kurieren?«
    »Nein, Herr Medicus.« Muttchen hatte gezögert und sich ein Lächeln gestattet. »Die Mädchen sind ausnahmsweise alle gesund. Nur ich selbst schlafe in letzter Zeit schlecht.«
    »Habt Ihr es einmal mit Baldrian versucht?«
    »Nein, ich habe wie immer mein Gläschen Wein am Abend getrunken. Aber der Schlaf will sich danach nicht mehr einstellen.«
    Ich hatte überlegt und Muttchen zum ersten Mal bewusst angeschaut. Sie war eine Frau um die fünfzig, was eine Menge bedeuten konnte. »Ist Euch nachts manchmal heiß und dann wieder kalt? Spürt Ihr Schwindel, oder schwellen Euch die Gelenke an?«
    »Woher wisst Ihr das alles? Genauso ist es!«, hatte Muttchen gerufen.
    Ich hatte insgeheim gelächelt und laut gesagt: »Ein Acker kann nach langer, mühevoller Bebauung keinen Samen mehr für Früchte und Getreide aufnehmen, sie keimen oder reifen lassen. Das hat die kundige Äbtissin Hildegard von Bingen einmal gesagt. So ähnlich ergeht es auch der Frau, wenn sie, äh, nicht mehr ganz jung ist. Ich denke, Muttchen, es ist Zeit, dass Ihr die segensreiche Wirkung der Silberkerze kennenlernt. Man nennt sie auch Frauenwurzel oder Christophskraut. Ich werde dafür sorgen, dass der Apotecarius Euch einen alkoholischen Auszug vom klein geschnittenen Silberkerzenwurzelstock herstellt. Davon sollt Ihr jeden Abend einen Löffel nehmen. Dann werden die Beschwerden weichen.«
    »Oh, ich danke Euch, Herr Medicus«, hatte Muttchen gerufen. »Aber heißt das etwa, ich darf mein Gläschen Wein nicht mehr trinken?«
    »Doch, doch, das dürft Ihr. Solange es bei einem Gläschen bleibt«, hatte ich geantwortet und mich empfohlen.
    So war die Zeit dahingegangen. Am einundzwanzigsten Juni des Jahres war Koutenbruer aus Neuss zurückgekehrt. Er kam überraschend in den Hörsaal des Auditorium Medicum, trug wie immer den Gnadenpfennig zum Zeichen seiner Würde um den Hals und lauschte meinen Worten, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt.
    Als ich meinen Vortrag über die Gicht und die Ursachen des Gichtanfalls beendet hatte, trat er auf mich zu und beglückwünschte mich. »Das war eine gute Lektion, Nufer«, sagte er. »Ich fürchte, die Studiosi haben mich keinen Tag lang vermisst.«
    »Oh, das glaube ich nicht«, wehrte ich ab. Und um das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, fügte ich hinzu: »Ich hoffe, Eurer Mutter geht es besser?«
    »Sie ist vor neun Tagen gestorben.« Koutenbruer wischte sich mit dem Zeigefinger die Nase, einmal hin, einmal her. »Sie hat sich lange gequält. Meine ärztliche Kunst war keinen Pfifferling wert. Ihr Fall hat mich wieder einmal Demut gelehrt.«
    »Mein aufrichtiges Beileid.«
    »Danke. Reden wir nicht mehr davon. Ihr Tod war eine Erlösung. Wie ist es Euch ergangen? Wie es scheint, seid Ihr mit dem Unterrichtsstoff recht zügig vorangekommen, ich hatte eigentlich vor, das Podagra und seine Ursachen erst im Juli zu

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