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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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fällte mich wie einen Baum.
    Ich wachte auf durch einen stechenden Schmerz in der Seite. Jemand hatte mir in die Rippen getreten. Ich öffnete die Augen und erkannte den Knoblauchfresser. Wieder wollte ich um Hilfe schreien, aber ich konnte es nicht. Sie hatten mir eine Mundbirne zwischen die Zähne gepresst. Ein eisernes Ding, dessen vier Flügel sich mittels eines Gewindes spreizen ließen. Wer eine Mundbirne trug, sah aus, als hätte er die Backen bis zum Bersten aufgeblasen. Doch mein Anblick war mir von Herzen einerlei, ich wollte nur fort. Ein Schlag in die Magengrube ließ mich wie ein Klappmesser vornüberfallen. Brutal wurde ich wieder in die Höhe gerissen. »Mach keine Sperenzchen, Harnglotzer.« Der Knoblauchfresser schien so etwas wie der Sprecher der beiden zu sein.
    »Steh auf«, sagte der Kleine mit der fehlenden Hand.
    Ich erhob mich schwankend. Die Mundbirne brachte mir die Mundhöhle schier zum Platzen.
    »Kannst du gehen?«, fragte der Knoblauchfresser.
    Ich zuckte mit den Schultern. Wie sollte ich antworten? Trotz der Situation hatte die Frage etwas Lächerliches.
    »Er kann gehen«, sagte der Kleine mit der fehlenden Hand.
    »Das ist gut«, nuschelte der Knoblauchfresser, stülpte mir einen Sack über den Kopf und gab mir einen Stoß. »Los, beweg dich. Und komm nicht auf die Idee, abzuhauen!«
    Nach vielleicht hundert Schritten, die ich in völliger Dunkelheit gehen musste, hielten sie mich an und packten mich bei den Oberarmen. »Steig ein!«
    Ich vermutete, ein Boot besteigen zu sollen, und hob den Fuß.
    »Nun mach schon!« Ein Stoß beförderte mich in das Boot. Ich schlug der Länge nach hin. Neuerliche Schmerzen durchzuckten meinen Körper. Ich wollte schreien, brachte aber nur einen dumpfen Laut zustande.
    »Kannst so bleiben«, kicherte der Kleine mit der fehlenden Hand. »Dann sieht dich keiner vom Ufer aus.«
    Das Boot schwankte, Holz knarrte. Ich hörte, wie Riemen ins Wasser tauchten. Ruckartig bewegte sich das Boot. Einer der beiden Spitzbuben ruderte. Es musste der Knoblauchfresser sein, da er noch beide Hände hatte.
    Wohin bringen sie mich?, fragte ich mich bang. Wo ist Schnapp? Hatten die Spitzbuben ihn erschlagen? Tränen stiegen mir in die Augen. Schmerz, Angst und ohnmächtige Wut tobten in mir. Aber ich wollte nicht heulen wie ein Weib. Den Triumph wollte ich den Spitzbuben nicht gönnen. Verfluchtes Pack!
    Was sie wohl von mir wollten? Brachten sie mich ans andere Ufer des Neckars?
    Ich sollte nicht lange im Ungewissen bleiben, denn plötzlich stieß das Boot gegen etwas Festes.
    »Pass doch auf«, quengelte der Kleine mit der fehlenden Hand.
    »Ist das schon der mittlere Bogen?«, fragte der Knoblauchfresser.
    »Müsste eigentlich.«
    »Dann raus mit ihm!«
    Drei Hände packten mich derb und wickelten Stricke um mich und den Sack, der noch immer meinen Oberkörper bedeckte. Dann stießen sie mich über Bord. Ich landete im Wasser. Ich strampelte mit den Beinen, rang nach Luft. Todesangst kroch in mir hoch. Wollten sie mich ersäufen wie eine Katze? Aber warum wollten sie mich ertränken? Sie hätten mich doch totschlagen können, das wäre einfacher gewesen!
    Abermals wollte ich um Hilfe rufen, aber nur ein gurgelnder Laut kam über meine zum Zerreißen gespannten Lippen. Großer Gott, hilf mir! Ich will noch nicht sterben! Ich will leben! Leben, leben …
    Sie ließen mich nicht sterben. Ich merkte, wie sie mich über Wasser hielten, wie sie mich festhielten, obwohl die Strömung des Flusses an mir zerrte. Dann spürte ich, dass sie mich an irgendetwas festbanden. Aber an was? Der Knoblauchfresser hatte von einem mittleren Bogen gesprochen.
    Und dann wusste ich, wo ich mich befand. Sie hatten mich an einen Pfeiler der Alten Brücke gebunden, mit dem Gesicht flussaufwärts. Das Wasser rauschte an mir vorbei, es war kühl. Ich versuchte, mich zu orientieren. Wenn die Spitzbuben mich am mittleren Bogen festgebunden hatten, befand ich mich mitten im Fluss. Über mir die überdachte Brücke, die einen der Zuwege zur Stadt darstellte. Die Doppeltürme am Brückentor dienten als städtisches Gefängnis. Dort wurden meist Leute eingesperrt, die nachts durch Schlägereien oder lautes Gegröle aufgefallen waren, bevor sie sich am nächsten Tag im Rathaus vor Gericht verantworten mussten. Wie gern hätte ich mit einem der Kerle im Gefängnis getauscht!
    »Viel Spaß, Harnglotzer«, nuschelte der Knoblauchfresser. »Ich an deiner Stelle täte jetzt beten.«
    Der Kleinere mit der

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