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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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essen, ohne es vorher erwärmt zu haben. Sehr praktisch. Auch Wasser und Wein führt euer ergebener Transporteur mit sich. Ihr seht, er hat an alles gedacht.«
    Später saßen wir gemeinsam an der Feuerstelle und aßen. Nachdem wir uns gestärkt hatten, verstaute Odilie die Dinge in der Hütte. Währenddessen nahm Fischel mich beiseite und sagte: »Wir wollen uns ein wenig die Beine vertreten,
amicus meus,
es gibt da etwas, das deine Prinzessin nicht unbedingt hören muss.«
    »Du machst es spannend, Fischel«, sagte ich und ging mit.
    Als wir weit genug entfernt waren, rückte mein Freund mit seiner Nachricht heraus: »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden«, sagte er mit ungewohntem Ernst. »Die Pest hat Heidelberg erreicht. Noch sind nur wenige Tote zu beklagen, aber es werden mit jedem Tag mehr.«
    »Großer Gott!«, entfuhr es mir. »Ich habe die Schrecknisse der Seuche schon einmal erlebt. Der Himmel gebe, dass sie sich nicht wiederholen.«
    »Ob es so sein wird, weiß nur Er, dessen Name gepriesen sei«, antwortete Fischel. »Jedenfalls habe ich gehört, dass der Friedhof bei St. Peter bald keinen Platz mehr für die Toten bietet. Der Rat überlegt angeblich schon, Massengräber vor den Toren der Stadt ausheben zu lassen.«
    Daraufhin schwieg ich. Ein Sturm an Gedanken tobte in mir. Zu frisch war noch die Erinnerung an das Grauen, das ich in Erfurt erlebt hatte. Schließlich sagte ich: »Es ist gut, mein Freund, dass du Odilie damit nicht belasten wolltest. Sie wird es noch früh genug erfahren.«
    »Willst du, dass ich euch schon heute zurück nach Heidelberg rudere?«
    »Nein«, sagte ich nach kurzer Überlegung, »das würde unseren Plan komplett durcheinanderbringen. Die Gefahr, dass unsere Täuschung ans Licht kommt, wäre viel zu groß. Aber danke für das Angebot.«
    »Wie du meinst.«
    »Wir wollen zurückgehen. Odilie schöpft sonst Verdacht.«
    Wir gingen zur Hütte zurück, und meine Prinzessin sagte prompt: »Was macht ihr denn für Gesichter? Ist irgendetwas passiert? Geht es Rahel gut?«
    »Ja, danke. Ich soll auch die besten Grüße ausrichten«, sagte Fischel schnell.
    »Das ist sehr freundlich«, antwortete Odilie, »bitte, grüße herzlich wieder. Trotzdem …«
    »Dem kleinen Simon geht es ebenfalls gut«, fügte Fischel hinzu. »Habe ich euch eigentlich schon berichtet, was er neulich wieder angestellt hat?« Und er erzählte eine seiner lustigen Geschichten, von denen man nie genau wusste, ob sie stimmten oder nicht. Doch er schaffte es tatsächlich, meine Prinzessin so abzulenken, dass sie nicht weiter fragte, worüber wir gesprochen hatten.
    Bald darauf verabschiedete Fischel sich, wir waren wieder allein. Ich hatte Sorge, Odilie könne die schlechten Nachrichten aus Heidelberg an meinem Gesicht ablesen, doch gottlob war der Sonnenuntergang an jenem Tag so schön, die Landschaft so voller Frieden, dass ich die düsteren Meldungen für eine Weile vergaß.
    Auch an den folgenden Tagen gelang es mir halbwegs, die Gedanken an die Pest aus meinem Kopf zu verbannen, so dass wir noch eine Zeit voller Harmonie miteinander verbringen konnten.
    Doch der Abschied rückte unaufhaltsam näher.
    An dem Tag, als es so weit war, blickte meine Prinzessin mich mit Tränen in den Augen an. »Weißt du noch, als ich zu dir sagte, wir wären erst drei Tage hier?«, fragte sie. »Und nun ist die Zeit schon vorüber. Bitte, bitte, halte sie an.«
    Sie begann, hemmungslos zu weinen, und ich hätte am liebsten mitgeheult. Aber weil sie schwach war, musste ich stark sein. Ich nahm sie in die Arme und sagte: »Das Leben geht weiter, immer weiter. Auch für uns. Du wirst es sehen. Ich verspreche es dir. Ich verspreche es dir bei allem, was mir heilig ist.«
    Sie schniefte, und ich küsste ihr die Tränen von den Lidern. »Rahel hat einmal zu mir gesagt, man muss nur ganz fest an etwas glauben, dann tritt es auch ein. Wir glauben ganz fest an uns, und deshalb werden wir uns wiedersehen.«
    »Ja«, hauchte sie, »ja, das werden wir. Mir ist plötzlich so kalt.«
    »Ich wärme dich«, sagte ich und legte meine Arme um sie. Es war ein warmer Tag, und dennoch war meiner Prinzessin kalt, weil ihre Seele fror. Dessen war ich gewiss.
    Fischel kam und räusperte sich. »Wir müssen fahren,
amicus meus
«, sagte er. »Die Kutsche steht schon am anderen Ufer. Milda sitzt darin und wartet.«
    »Ja, wir kommen«, sagte ich.
    Wir stiegen in Fischels Boot, Odilie, Schnapp und ich, und Fischel ruderte uns zum jenseitigen

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