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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Leitung der Ruperto Carola hat deshalb in Abstimmung mit dem Rat der Stadt beschlossen, den Universitätsbetrieb einzustellen und an anderer Stelle fortzuführen.«
    Koutenbruer machte eine Pause und sprach dann weiter: »Um auf Eure Frage zurückzukommen: Ich schlage Euch vor, als Lizenziat der Medizin mit mir nach Oppenheim zu gehen und mich in meiner Lehre zu unterstützen. Oppenheim ist ein hübsches, am Rhein gelegenes Städtchen, wo ein guter Wein gekeltert und ein gutes Bier gebraut wird. Dort lässt es sich in Ruhe abwarten, bis der Pesthauch aus Heidelberg verschwunden ist. Na, was sagt Ihr?«
    »Ich fühle mich sehr geehrt, Herr Kollege.«
    »Ja, und? Was heißt das?« Koutenbruer beugte sich erwartungsvoll vor.
    Sein Angebot klang verlockend, aber es gab zwei Gründe, die mich zögern ließen. Zum Ersten würde ich mir vorkommen, als risse ich vor der Pest aus; zum Zweiten, und das war noch wichtiger, würde ich die Nähe zu meiner Prinzessin aufgeben müssen. »Wie gesagt, ich fühle mich sehr geehrt. Darf ich dennoch die Antwort überschlafen, Herr Kollege?«
    »Selbstverständlich.« Koutenbruer, der womöglich schon eine Ablehnung erwartet hatte, stand erleichtert auf. »Gebt mir in den nächsten Tagen Bescheid, ob Ihr mit mir ziehen wollt. Jedoch spätestens bis zum Ende der Woche, denn am Sonntag, dem achten August, nach einem Bittgottesdienst in der Heiliggeistkirche, wird sich der Universitätszug in Bewegung setzen. Dann solltet Ihr dabei sein. Es reist sich sicherer unter vielen.«
    »Gewiss, ich werde mich melden. Und habt nochmals von Herzen Dank für Euer Angebot.« Ich verbeugte mich und verließ das prächtige Anwesen.
    Ich hatte es eilig, in die Sicherheit des schmalen, unscheinbaren Hauses am Judentor zu kommen.
     
    Ich muss zugeben, dass mir die Entscheidung äußerst schwerfiel, obwohl Fischel und Rahel mir ohne Wenn und Aber zum Verlassen der Stadt rieten. »Du bist schon einmal dem Pesttod von der Schippe gesprungen«, sagte Fischel, »willst du es auf ein zweites Mal ankommen lassen?« Und Rahel hatte in ihrer ruhigen Art ergänzt: »Näher als in deinem Herzen kann Odilie dir nirgendwo sein – einerlei, wo du dich aufhältst. Gehe deshalb ruhig nach Oppenheim.«
    Den Ausschlag schließlich gab ein unverhoffter Besuch von Thérèse. Sie erschien am Freitag jener ereignisreichen Woche, klopfte an der schmalen Tür und schlüpfte rasch ins Haus, als habe sie Angst, sie würde beobachtet. Wie beim letzten Mal trug sie die Kleider von Frieda, ihrer Hausmagd. »Ich habe keine guten Nachrichten«, sagte sie düster.
    »Setz dich erst einmal und trinke einen Becher frisches Brunnenwasser«, ordnete Rahel an. »Dann ist alles nur noch halb so schlimm.«
    Aber das, was Thérèse zu erzählen hatte, war dennoch alles andere als beruhigend. Sie berichtete, sie sei am Vortag im Schloss gewesen, um Chlodwigus zu besuchen. Bei der Gelegenheit habe sie Odilie gesehen und …
    »Wie geht es Odilie?«, unterbrach ich aufgeregt.
    »Es geht ihr gut«, beschwichtigte Thérèse mich. »Doch das, was sie mir in einer verschwiegenen Ecke des Pomeranzenwaldes zuflüsterte, klang nicht gut. Sie sagte, nur einen Tag nachdem sie von ihrer Reise zu Johanna ins Kloster Eibingen zurückgekehrt war – wir wissen, wo sie die Zeit in Wirklichkeit verbrachte –, sei ihre Zofe Milda auf unerklärliche Weise verschwunden. Ihr Mann Christoph, der Weiberfreund, habe ihr daraufhin eine neue Zofe zugewiesen. Eine fragwürdige Frau namens Edda. Edda habe ihr noch am gleichen Abend Zuckerwerk ans Bett gestellt mit der Bemerkung, sie solle es essen und beten. Doch sie sei misstrauisch geworden, denn alles, was vom Weiberfreund komme, verheiße nichts Gutes. Deshalb habe sie Edda aufgefordert, ebenfalls von dem Zuckerwerk zu essen, was Edda auch tat. Danach habe Edda hastig das Schlafgemach verlassen. Das sei ihr verdächtig vorgekommen. Sie habe Edda zur Rede stellen wollen und sie dabei erwischt, wie sie das eben Verzehrte wieder hervorwürgte. Es sei ganz klar: Edda habe sie vergiften wollen.«
    »Großer Gott!«, entfuhr es mir. »Dann musste Odilie ebenfalls ihr Zuckerwerk erbrechen. Tat sie das?«
    »Das tat sie. Mit Hilfe eines Vomitivs, das sie sich vom Leibarzt des Weiberfreundes geben ließ. Bei der Gelegenheit stellte sie ihren gottlosen Mann zur Rede. Sie sagte, es sei das erste Mal gewesen, dass sie ihn angeschrien habe, doch Christoph habe nur gelacht und auf ihre Frage, was aus Milda geworden sei, die

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