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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Schultern gezuckt und geantwortet, wir alle müssten einmal sterben. Sie habe dieses Mal Glück gehabt.«
    »Dann schwebt Odilie in Lebensgefahr!«, rief ich fassungslos. »Es muss etwas geschehen, ich muss sofort …«
    Thérèse packte meinen Arm und sagte: »Du musst gar nichts, glaube mir. Ich soll dir von Odilie ausrichten, du mögest dir keine Sorgen machen. Gleich nach dem Zusammenstoß mit dem Weiberfreund vertraute sie sich Ludwig, ihrem ältesten Bruder, an. Ludwig wird der Nachfolger ihres Vaters Philipp sein, der sich in den letzten Monaten mehr und mehr zurückgezogen hat. Ludwig mag Christoph nicht. Deshalb glaubte er ebenfalls, dass der Weiberfreund Odilie vergiften wollte, aber er schränkte ein, dass dafür die Beweise fehlten. Immerhin verfügte er, dass seine jüngere Schwester von Stund an eine verlässliche Leibwache und eine neue, vertrauenswürdige Zofe bekam. Der Mordversuch des Weiberfreundes ging somit fehl. Odilie ist jetzt in guten Händen. Sie lässt dir neben ihrer unverbrüchlichen Liebe ausrichten, sie sei sicher, der Weiberfreund habe mittlerweile Kenntnis von dir. Wie es dazu kommen konnte, wisse sie nicht, doch du müsstest umgehend Heidelberg verlassen. Sie beschwor mich geradezu, nicht eher Ruhe zu geben, bis du das versprochen hättest. Versprichst du es?«
    »Ja«, murmelte ich, »ja, natürlich.« Ich stand noch völlig unter dem Eindruck des eben Gehörten.
    »Das wird Odilie beruhigen. Ich werde Mittel und Wege finden, sie davon zu unterrichten.«
    »Sage ihr, dass ich sie liebe. Sage ihr, dass ich nach Oppenheim gehe. Der Universitätsbetrieb wird für unbestimmte Zeit dorthin verlegt. Grüße sie, sage ihr, dass ich sie liebe …«
    Ich murmelte die Worte wie ein Automat, zu bestürzend war das, was Thérèse berichtet hatte.
    »Du kannst dich auf mich verlassen.« Thérèse lächelte in ihrer spitzbübischen Art. »Ich habe ja einen einleuchtenden Grund, das Schloss zu besuchen. Und wenn ich Chlodwigus treffe, kann ich auch nach Odilie sehen. Und ein bisschen auf sie aufpassen.«
    »Ich bin dir so unendlich dankbar«, flüsterte ich.
    »Ich muss jetzt gehen.«
    Wie beim letzten Mal hauchte Thérèse mir einen Kuss auf die Stirn und rauschte in ihren Magdkleidern hinaus.
     
    Am folgenden Tag, dem Samstag, packte ich meine Sachen, verstaute meine Bücher in einer Kiste und machte mich für die Reise nach Oppenheim fertig.
    Am Sonntag, nach dem Gottesdienst, sollte der Zug der Universitätsmitglieder vom Marktplatz der Heiliggeistkirche aufbrechen. Schnapp und ich wollten aus Gründen der Sicherheit im letzten Augenblick dazustoßen. So hatten wir Zeit, uns von Fischel, Rahel und dem kleinen Simon zu verabschieden. »Mag kommen, was will«, sagte ich, »was ihr für mich getan habt, werde ich euch nie vergessen.«
    »Ach, das kannst du ruhig.« Fischel verbarg seine Trauer hinter einer fröhlichen Miene. »Ich werde dich spätestens daran erinnern, wenn du wieder zurück bist, und einen nicht koscheren Begrüßungsschluck von dir verlangen.«
    Rahel drückte mir die Hand und schwieg. Ich wusste auch so, was sie sagen wollte.
    Doch in ihr Schweigen hinein klopfte es.
    Wir erstarrten vor Schreck. Hatten die Spitzel des Weiberfreundes doch noch mein Versteck ausfindig gemacht? Wie waren sie auf mich verfallen? Konnte ich fliehen?
    Fischel legte mir die Hand auf den Arm. »Es kommt, wie es kommt«, sagte er. »Wir können es nicht mehr ändern. Ich will sehen, was der Erhabene, dessen Name gepriesen sei, mit dir vorhat.«
    Er ging zur Tür und kam nach wenigen Augenblicken wieder. »Draußen steht ein ungeschlachter, wortloser Mann«, sagte er. »Ein Bär mit Haaren, rot wie Feuer. Ich glaube, er will zu dir.«
    »Ein Häscher des Weiberfreundes?«, fragte ich bang.
    »Ich denke nicht«, sagte Fischel. »Komm, überzeuge dich selbst.«
    Klopfenden Herzens ging ich mit Fischel zur Tür und sah mir den Mann an.
    Es war Meister Karl.

Kapitel 18
    Heidelberg,
12 . April bis 1 . November 1508
    D ie wenigen Heidelberger Bürger, denen Meister Karl, Schnapp und ich von Norden kommend auf der Alten Brücke begegneten, wirkten müde und mutlos. Die Pest, diese alles vernichtende Seuche, hatte sich zwar endgültig totgelaufen, doch freuen konnte sich darüber niemand. Zu viele Opfer hatte sie gefordert. Hinter dem Brückentor mit seinen zwei Türmen wandten wir uns nach rechts, gingen die wenigen Schritte am verwaisten Ufer des Neckars entlang und bogen in die Pfaffengasse ein, an

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