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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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sich Schnapp.
    »Schnapp, was hast du denn?«, fragte ich leise. Und dann wusste ich es. Nicht Thérèse stand vor mir, sondern Odilie in Thérèses Kittelkleid aus Blautuch. Die Täuschung war nahezu perfekt, nicht zuletzt wegen des schummrigen Lichts. »Äh, lass nur, Odilie«, sagte ich, »ich kümmere mich schon selbst um meinen Kleinen.«
    Nachdem Schnapp versorgt war und ich die anderen wieder gefesselt hatte, nahm ich die Hände auf den Rücken und band mich selbst, so gut es ging. Wir ließen uns im Kreis nieder, dicht an dicht, wie wir es schon am Anfang gemacht hatten, und wärmten einander. Odilie saß neben mir, und Thérèse hatte sich neben von Themar niedergelassen. Trotz der späten Stunde waren wir alle noch hellwach. Nur Steisser neben Abeline fielen die Augen zu. Er hatte von uns allen am meisten getrunken. Während ich ihn beobachtete, kam mir ein erschreckender Gedanke. »Was ist, wenn Steisser unseren Tausch morgen verrät?«, fragte ich in die Runde.
    »Zuzutrauen wär’s ihm«, antwortete Thérèse. »Allein schon, um sich bei Talacker einzuschmeicheln. Ich glaube zwar nicht, dass er vorhin was von unserem Plan mitgekriegt hat, aber er kennt mein Gesicht zu gut. Hat sich jede Sommersprosse darin angeguckt, als wollte er sie verschlingen. Früher oder später wird er was merken. Da nützt auch das schönste weiße Kleid nichts.«
    Abeline schüttelte den Kopf. »Macht euch keine Sorgen«, sagte sie, und in ihrer Stimme lag große Entschlossenheit. »Er wird nichts verraten. Eher bringe ich ihn um.«
    »Wir können jetzt ohnehin nicht mehr zurück«, sagte von Themar. »So oder so, wir sind alle in Talackers Hand.«
    »Das ist wohl wahr«, sagte ich.
    »Jaja«, sagte Abeline.
    Das Gespräch versickerte. Jeder hing seinen Gedanken nach. Etwas später sagte ich: »Dass Talacker sich für die Niederlage bei Seckenheim rächen will, kann ich zum Teil verstehen. Aber warum erst nach zweiundvierzig Jahren? Er hätte doch sicher schon viel früher Gelegenheit dazu gehabt?«
    Von Themar räusperte sich. »Das wohl. Aber mit dem Wunsch nach Rache ist es wie mit allen starken Gefühlen: Sie schwächen sich ab im Laufe der Jahre. Es sei denn, es gibt einen Anlass, der sie wieder aufflammen lässt.«
    »Und welcher Anlass könnte das sein?«
    »Ein Krieg, wie üblich. In diesem Fall die Fehde zwischen dem Bayernherzog Albrecht und Kurfürst Philipp dem Aufrichtigen.«
    »Von diesem Krieg habe ich schon gehört.«
    »Wenn es Euch interessiert, erzähle ich Euch etwas darüber.«
    »Gern. Ich habe zufällig gerade Zeit.«
    »So hört. Im letzten Jahr verstarb Georg, genannt ›der Reiche‹, Herzog von Bayern-Landshut. Er war verheiratet mit Jadwiga von Polen, doch der Ehe war kein männlicher Nachkomme beschieden. Deshalb setzte Georg in seinem Testament seine Tochter Elisabeth und deren mögliche Söhne als Erben ein. Habt Ihr so weit alles verstanden?«
    »So schwer war es bisher nicht.«
    »Gut, gut. Ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Das Einsetzen von Elisabeth als Erbin widerspricht jedoch dem Wittelsbacher Hausvertrag, demzufolge bei Aussterben einer Linie sämtliche Besitzungen an die jeweils andere Wittelsbacher Linie fallen sollen. Deshalb wird das Testament von Albrecht  IV ., dem Herzog von Bayern-München, nicht anerkannt. Er forderte die Besitzungen für sich. Doch er bekam sie nicht, denn Elisabeth war mittlerweile verheiratet mit Ruprecht von der Pfalz, dem Sohn von Philipp dem Aufrichtigen.«
    »Meinem Bruder«, warf Odilie ein.
    »Richtig. Ruprecht dachte nicht daran, die Besitzungen herauszugeben. Und er hat darin die volle Unterstützung seines Vaters Philipp.«
    »Und welche Rolle spielt der finstere Talacker bei der ganzen Sache?«
    »Bei Ausbruch des Krieges im letzten Jahr muss Talackers Hass auf die Pfälzer Kurfürsten wieder aufgeflammt sein, denn er hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich auf die Seite von Albrecht  IV . zu schlagen. Und mit ihm die Brüder von Berlichingen. Nun kämpfen sie gegen Philipp und wollen zu allem Unglück auch noch ein Lösegeld für dessen Tochter erpressen.« Von Themar seufzte schwer.
    »Vielleicht wendet sich alles zum Guten«, sagte ich, ohne dass ich recht daran glaubte.
    »Ja, vielleicht. Hauptsache, Odilie gerät nicht in die Fänge dieses gewissenlosen Raubritters. Ihr müsst mir versprechen, alles zu tun, damit sie baldmöglichst unversehrt wieder in Heidelberg eintrifft.«
    »Ich werde tun, was in meiner Macht steht.«
    »Sagt, wer seid

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