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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Was du nicht sagst.« Talacker hatte genug von den Auskünften seines Untergebenen. Er sah mich an und befahl: »Runter vom Bock!«
    So rasch ich konnte, gehorchte ich, hatte dabei aber die Geistesgegenwart, Thérèse an die Hand zu nehmen, denn ich wollte auf keinen Fall, dass wir getrennt wurden. Talacker befahl mir, Thérèse loszulassen und die Hände vorzustrecken. Er besah sie sich kurz und verlangte dann, ich solle mich tief vor ihm verbeugen. Ich tat es und fragte mich, welchen Zweck er damit verfolgte, doch schon gab er die Antwort selbst: »Pirmin, ich dachte, du bist nur auf einem Auge blind? Das ist kein Pfaffe. Er trägt nicht den Ring und auch nicht die Tonsur eines Gottesanbeters.«
    »Ja, Herr.«
    Talacker fuhr mich an: »Wer bist du also, und warum trägst du eine Kutte?«
    Was sollte ich darauf antworten? Die Wahrheit zu erklären hätte viel zu lange gedauert, ganz davon abgesehen, dass man sie mir mit Sicherheit nicht geglaubt hätte. Also sagte ich: »Es … es ist eine Art Verkleidung.«
    »Eine Art Verkleidung? Willst du auf diese Weise den Stand der Pfaffen veralbern? Das wäre mal ein gutes Werk.« Abermals grollte es am Himmel. Ein Donner krachte. Es war, als zürne Gott, weil seine Vertreter auf Erden soeben verunglimpft worden waren. Talacker, für kurze Zeit abgelenkt, nahm den Faden wieder auf. »Du bist also ein Possenreißer oder ein Hanswurst oder so etwas, und wer ist die kleine Hübsche an deiner Seite?«
    Bevor ich antworten konnte, wurde Talacker erneut abgelenkt. Steisser hatte sein fettes Gesicht für den Bruchteil eines Augenblicks im Fenster gezeigt.
    »Wer ist das?«, fragte Talacker. »Wieso sind Leute in der Kutsche, und ich weiß nichts davon? Hol sie heraus, Pirmin.«
    Als Steisser und seine Frau vor Talacker standen, stammelte der Fettwanst mit rudernden Armen: »Hochverehrter Herr Ritter, bitte tut uns nichts, ich bin Kaufherr und Zunftmeister und nicht ohne Einfluss, ich …«
    »Maul halten! Ihr stinkt nach Geld. Nach Lösegeld! Es scheint, dies ist ein guter Tag.«
    »Nein, dies ist kein guter Tag! Es sei denn, Ihr, Talacker, lasst das unschuldige Mädchen ziehen!« Von Themar machte einen letzten Versuch, seine Schutzbefohlene zu retten. Er rang die Hände. »Versteht doch, ich habe die Verantwortung für Odilie. Ich appelliere an Eure Menschlichkeit. Was hat sie Euch denn getan? Nichts, nichts!«
    Talacker schaute finster drein. »Sie ist in die falsche Wiege geboren worden. Das ist alles. Und nun lasst mich in Frieden mit Eurem Gejammer.«
    »Was meint Ihr damit, ›in die falsche Wiege geboren‹?«
    »Das geht Euch als Federschwinger und Stubenhocker nichts an, aber wenn Ihr es unbedingt wissen wollt: Es ist noch eine alte Rechnung offen zwischen meiner Familie und der des Kurfürsten.«
    »Ich höre.«
    »Ich habe nichts mehr dazu zu sagen.«
    »Seid Ihr zu feige, darüber zu sprechen?«
    »Was sagt Ihr da?« Mit einem gewaltigen Satz sprang Talacker auf von Themar zu. Noch in der Bewegung zog er sein Schwert und holte zum tödlichen Hieb aus. Doch im letzten Augenblick warf sich Odilie dazwischen. »Haltet ein!«, rief sie. »Er ist ein alter Mann. Er will nur seine Pflicht tun.«
    »Und ich will meine Rache!«
    »Rache wofür?«
    »Weißt du das nicht?«
    »Nein, Talacker!«
    »Dann will ich es dir sagen: In der Schlacht bei Seckenheim anno 1462 war es, als mein Vater mit dem Bündnis der Kaiserlichen gegen die Pfalz focht. Der Kampf verlief lange Zeit ritterlich, aber dann hat dein verfluchter Großvater Friedrich das Pfälzer Fußvolk, diesen Abschaum aus Heidelberger Bürgern und Bauern, ins Treffen geführt. Abschaum, der, statt ehrlich zu kämpfen, mit Morgensternen auf die Schädel unserer edlen Rösser einschlug, der ihnen mit Spießen die Kehlen, Flanken und Bäuche aufriss, bis sie elend krepierten und die Kaiserlichen und mit ihnen mein tapferer Vater das Nachsehen hatten. Vierhundert der Unsrigen gingen in Gefangenschaft, darunter der Bischof von Metz, für den wir ein gewaltiges Lösegeld aufbringen mussten. Verstehst du nun, woher der Wind weht?«
    »Aber Seckenheim liegt viele Jahre zurück!«, rief Odilie.
    »Seckenheim ist heute. Der Tag der Rache ist da, wie ich’s meinem Vater geschworen habe.« Talacker riss sein Ross herum und würdigte Odilie und ihren Lehrer keines Blickes mehr. Er rief: »Pirmin, du kümmerst dich um die Gefangenen. Steck sie in die Kutschen und verriegele und verrammele die Türen. Gnade dir Gott, wenn sie

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