Der Medicus von Heidelberg
Mal in zwei Jahren, dass man unser Haus geplündert hat. Diesmal ist es am schlimmsten. Sogar den roten Hahn haben uns die verfluchten Kriegsknechte aufs Dach setzen wollen. Aber das Feuer ist nicht ausgebrochen, der Jungfrau Maria sei Dank.«
»So hatte der Regen auch sein Gutes.«
»Da hast du recht.«
»Guck mal, Mama, ein Hündchen! Ach, ist das süß!« Eines der Kinder hatte Schnapp entdeckt, der aus meiner Tasche lugte und neugierig schnupperte.
Ich nutzte die Gelegenheit und holte Schnapp hervor, eine Maßnahme, die von sämtlichen Kindern, es waren wohl fünf oder sechs, freudig begrüßt wurde. Das Tohuwabohu in der Stube schien auf einmal vergessen, was zählte, war nur noch mein kleiner Hund.
Doch nun mischte sich wieder der Bauer ein. »Wenn ihr spielen wollt, geht nach draußen, aber Anna und Gudrun helfen der Mutter beim Aufräumen«, befahl er.
»Wie heißt dein Hund?«, fragte das kleinste der Kinder draußen auf dem Hof.
»Schnapp«, antwortete ich. »Und wie heißt du?«
»Pipps.« Der kleine Junge sagte es mit großem Ernst.
»Das ist ein lustiger Name.«
»Der kommt von Pippin, eigentlich heiß ich Pippin.«
»Das klingt nicht so lustig.«
»Find ich auch.«
Pipps und die anderen Kinder begannen, mit Schnapp zu spielen. Odilie und ich standen untätig daneben.
Ich wollte Schnapp schon wieder an mich nehmen, damit wir gehen konnten, da kam der Bauer plötzlich aus dem Haus. »Wenn ihr euch nützlich machen wollt, könnt ihr heute Abend mit uns essen.«
»Heute Abend? Ich habe jetzt Hunger«, sagte Odilie.
Der Bauer sah sie an. »Bei mir wird erst gearbeitet und dann gegessen. Wenn du es umgekehrt haben willst, verschwinde. Ich halte dich nicht auf.«
»Es war ja nicht so gemeint«, versicherte ich schnell. »Meine, äh, Gefährtin ist manchmal etwas kratzbürstig, aber sonst von freundlicher Natur.«
»Davon habe ich bisher nichts gemerkt«, entgegnete der Bauer säuerlich. »Aber von mir aus. Wenn ihr was tun wollt, geht mit den Kindern und dem Hund aufs Feld. Ich meine das Nordfeld mit den drei Eschen an der Seite. Ihr sucht es nach Steinen ab. Ihr sammelt sie auf und schichtet sie am Rand zu einer Mauer auf.«
»Machen wir«, sagte ich rasch, bevor Odilie etwas Unpassendes antworten konnte. »Aber warum liegen so viele Steine auf dem Feld?«
»Du hast noch nie auf dem Acker gearbeitet, stimmt’s?«
»Stimmt«, musste ich einräumen.
Der Bauer seufzte, sah mich an, als hätte er es mit einem Schwachsinnigen zu tun, und erklärte: »Wenn im Winter der Frost in den Boden fährt, wird die Nässe darin zu Eis, und das Eis dehnt sich aus und drückt die Steine nach oben. Jedes Jahr wieder. Deshalb muss man in jedem Frühjahr die Steine absammeln, bevor man den Pflug durch die Krume ziehen kann.«
»Verstanden«, sagte ich. »Wir machen das.«
Es zeigte sich, dass jeder unserer kleinen Gruppe seinen Teil zu der Arbeit beitrug. Außer Schnapp natürlich. Und Odilie. Sie weigerte sich standhaft, dieses, wie sie sagte, niedere Tagewerk zu verrichten. Da mir ihr Verhalten vor den Kindern peinlich war, nahm ich die Kleinen irgendwann beiseite und erklärte ihnen, dass es meiner Gefährtin nicht gutgehe.
»Hat sie ihre Tage?«, fragte Pipps mit der Kennermiene des Wissenden. »Gudrun hat schon ihre Tage, Anna noch nicht. Gudrun macht immer ein großes Gewese drum, aber Mama sagt, es wär nix Besonderes.«
»Äh, ja, wahrscheinlich«, antwortete ich. »Lass uns nun weitermachen.«
So verging der Tag. Ich bemühte mich redlich, Odilies Anteil mitzuerledigen, denn ich erinnerte mich an mein Versprechen, alles zu tun, damit meine Anbefohlene heil und gesund und möglichst rasch nach Heidelberg zurückkehren konnte. Jeder von uns hatte eine hohe Weidenkiepe erhalten, die er auf dem Rücken trug und nach und nach mit Steinen füllte. War die Kiepe voll, gingen wir zu der kleinen Mauer und füllten sie weiter mit Steinen auf. Es war eine mühselige Arbeit, die wir dennoch mit großer Sorgfalt erledigten. Pipps erzählte mir, die Mauer sei wichtig, weil sie den Wind abhalte, wenn sie erst einmal hoch genug wäre. Ab und zu sangen wir ein Lied. Langsame, aber auch fröhliche Weisen, die ich allesamt nicht kannte. Doch mit der Zeit lernte ich Text und Melodie und sang mit.
Odilie saß während der ganzen Zeit am Feldrand und zog ein gelangweiltes Gesicht. Zwei- oder dreimal ging ich zu ihr und forderte sie auf, uns zu helfen, doch sie blieb bei ihrer hartnäckigen Weigerung.
Am
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