Der Medicus von Heidelberg
viel, dass ich glaube, er ist noch immer ein bisschen in die eigene Frau verliebt!« Sie lachte und schien nicht zu bemerken, dass Odilie sanft errötete.
»So ein hübsches Ding und dann so krank! Na, das werden wir schon wieder ins Lot bringen. Mathilde Ysengard ist in Sinsheim für ihre gute Arzneikunst bekannt, sehr zum Leidwesen der Bader und der Zahnbrecher. Einerlei, wo in der Stadt jemand krank wird, nichts hält mich davon ab, ihn zu kurieren. Der Herrgott ist mein Zeuge.«
Ysengard lachte gutmütig. »Zum Glück hat die Stadt über tausend Einwohner, da gerät nicht jeder gleich in deine Fänge, Frau.«
»Jaja, mach mich nur zum Spottvogel! Klopf lieber weiter auf deinem Amboss herum. Wir gehen erst mal hinüber ins Haus, nicht wahr, Kind, da kannst du mir alles in Ruhe erzählen. Aber eines sag ich dir gleich, so ein Blasenbrennen kuriert sich nicht von heute auf morgen …« Ständig weiterredend, nahm sie Odilie beim Arm und führte sie hinaus aus der Werkstatt.
Ysengard und ich blieben zurück. »Die Meisterin trägt das Herz auf der Zunge, aber das Herz ist grundgut«, sagte er fast entschuldigend.
»Das glaube ich gern«, antwortete ich höflich.
»Tja, für heute ist Feierabend.« Ysengard ging ans Ende der Werkbank, wo ein großer Zinnkrug stand. »Und für den ersten Feierabendtrunk stellt mir meine umsichtige Gemahlin immer rechtzeitig einen Krug Wein bereit.« Er schenkte zwei Becher voll und gab mir einen. »Prosit.«
»Prosit. Vielen Dank.«
»Ich weiß nicht, ob du viel vom schönen Geschlecht verstehst, aber wenn zwei dieser Geschöpfe sich erst einmal unterhalten, dauert’s länger als bis zum Jüngsten Gericht. Wir haben also Zeit.«
Ysengard trank abermals und schnaufte. »Wie ich meine liebe Frau kenne, wird sie dein Weib erst einmal für ein paar Tage ins Bett stecken. Die Frage ist, was wir in dieser Zeit mit dir anfangen. Du könntest einen meiner alten Blasebälge reparieren. Die Dinger kriegen früher oder später Löcher, und dann taugen sie nichts mehr.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Natürlich kannst du das. Im Grunde genommen geht es nur darum, ein paar Streifen aus Pergament zuzuschneiden und sie auf die schadhaften Stellen zu kleben. Bei einem defekten Blasebalg nützt die beste Schmiedekunst nichts, weil das Feuer ohne Luftstöße nicht die Temperatur erreicht, die das Eisen glühend und formbar macht.«
»Wenn es so einfach ist, will ich es gern versuchen.«
»Das ist gut. An meiner Frau ist zwar eine Ärztin verlorengegangen, aber sie arbeitet nicht für Gotteslohn. Das heißt, wenn es nach ihr ginge, schon. Doch ich habe da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Einen Obolus wirst du ihr deshalb geben müssen.«
»Ich habe leider kein Geld. Mein, äh, Weib und ich wurden in der Nähe von Heilbronn überfallen.«
»Ja, die Gegend ist unsicher, das hört man allenthalben. Hauptsache, ihr seid mit Leib und Leben davongekommen. Du könntest auch die Werkstatt jeden Abend aufräumen und ausfegen und mir helfen, die reparierten Teile der Ackergeräte zusammenzubauen. Jetzt ist die Zeit, da überall gepflügt wird. Kein Tag, an dem ich nicht irgendetwas richten oder ausbessern muss. Wenn du so anstellig bist, wie ich’s mir erhoffe, wirst du eine gute Hilfe sein und dafür ein paar Pfennige auf die Hand kriegen.«
»Danke für Euer Vertrauen.«
»Schon gut. Da Feierabend ist und die Werkstatt noch nicht aufgeräumt, fängst du am besten gleich an.«
»Ja, Meister«, sagte ich und stellte den Becher beiseite.
Nachdem ich mich in der Werkstatt nützlich gemacht hatte, gab es ein kurzes Nachtessen im Erdgeschoss des großen angrenzenden Hauses. Die Meisterin hatte zu Tisch gerufen, später als gewöhnlich, da die Behandlung von Odilies Krankheit den Tagesplan durcheinandergebracht hatte. Neben ihr und Ysengard saßen noch der Altgeselle Hartmut und Gesine, die Magd, am Tisch. Odilie fehlte.
Auf meine Frage erklärte die Meisterin: »Deine Frau liegt stramm zu Bett, sie hat ihren ersten Heiltrank erhalten und eine Wärmpfanne auf dem Leib. Sie ist sehr tapfer. Nachher, bevor du zu ihr in die Kammer gehst, will ich noch einmal nach ihr sehen. Und nun, Ysengard, sprich das Tischgebet, wir haben Hunger.«
Der Meister murmelte rasch ein Gebet, und Gesine trug das Essen auf. Es gab – des Gründonnerstags wegen – Grünkohl mit Räucherfisch, Brot und Käse. Zum Nachtisch wurde Dörrobst gereicht. Dazu gab es Wein vom Neckar, mit dem sich die
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