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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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schlecht als recht: »Wir wollen uns da als Knecht und Magd verdingen.«
    »Soso, ›verdingen‹ wollt ihr euch da. Ich muss sagen, für einen einfachen Knecht redest du recht fein daher. Ist mir schon vorhin aufgefallen. Aber es geht mich ja nichts an.«
    »Mein Vater ist Kaponenmacher in Siegershausen, im Kanton Thurgau.«
    »Ach, und da redet man so?«
    »Mein Vater kann lesen und schreiben.«
    »Schon recht, ich wollte dich nicht ausfragen. Ich habe Verständnis dafür, dass du zum Kastrieren von Schweinen keine Lust hattest und deshalb mit deinem Weib fortgegangen bist.«
    Ich atmete auf. Das war noch einmal gutgegangen.
    »Und wie kommt es, dass Odilie eine andere Mundart spricht als du? Sie redet wie eine aus Heidelberg.«
    »Das, äh, ist kein Wunder, sie kommt von da. Ursprünglich, meine ich.«
    »Dann ist es ja gut. Odilie, du weißt, was du zu tun hast. Lass dir bei den Sitzbädern von deinem Mann helfen. Ich gehe jetzt. Gute Besserung, mein Kind, gute Nacht, Lukas. Morgen ist ein neuer Tag.«
    Als sie fort war, stellte ich erst einmal die Kiepe ab und nahm Schnapp heraus. Der kleine Kerl schnüffelte eifrig in allen Ecken, untersuchte das Nachtgeschirr und schreckte vor einer großen, irdenen Schüssel zurück, aus der heißer Dampf aufstieg. Ich vermutete, es handele sich um heilende Dämpfe, und fragte: »Was hat es mit der Schüssel auf sich?«
    Odilie sah mich an. »Ich soll mich darübersetzen, hat die Meisterin gesagt. Wie die Glucke über das Ei. Das soll hilfreich gegen das Blasenbrennen sein.« Ihr Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an. »Aber wenn du dabei bist, tu ich’s nicht.«
    Das sah ich ein. Odilie hatte Hemmungen, sich mir nackt zu zeigen. »Gut, dann gehe ich vor die Tür.« Ich ging nach draußen auf den dunklen Gang und wartete eine Weile. Als mir kalt wurde, fragte ich: »Kann ich wieder reinkommen?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Es dauert noch.«
    »Aha.« Abermals wartete ich. Ich ging auf dem Gang auf und ab, zählte die Schritte, zählte die Türen, zählte die Dachbalken und fragte nach einer halben Ewigkeit: »Kann ich jetzt reinkommen?«
    »Ja, aber pass auf Schnapp auf, er kratzt schon die ganze Zeit an der Tür.«
    Ich betrat die Kammer, erwehrte mich der Wiedersehensfreude meines Hundes, der tat, als habe er mich eine Woche lang nicht gesehen, und setzte mich aufs Bett. Odilie lag auf der anderen Seite und schaute mich misstrauisch an.
    »Keine Angst, ich tue dir nichts.«
    »Nur weil die anderen denken, du wärst mein Ehemann, darfst du dich noch lange nicht so verhalten.«
    »Das dachte ich mir. Und ich hatte es auch nicht vor.«
    »Dann ist es ja gut.«
    Mein Blick fiel auf die Schüssel, aus der es nicht mehr dampfte. »Hat das Sitzbad geholfen?«
    »Ich weiß nicht.« Odilie zog die Bettdecke noch ein bisschen höher, so dass nur noch ihr Gesicht zu sehen war. Dann sagte sie mit kleiner Stimme: »Ich glaube, ich kann’s nicht.«
    »Was kannst du nicht?«
    »Mich darüberhocken. Es ist so anstrengend und …«
    »Ja? Sag’s mir ruhig.«
    »… es tut so weh.«
    »Wir werden eine Lösung finden.« Ich wusste zwar noch nicht, welcher Art diese Lösung sein konnte, aber ich war fest entschlossen, Abhilfe zu schaffen. Ich wollte nicht, dass Odilie länger litt. »Gleich morgen früh rede ich mit der Meisterin.«
    »Danke, Lukas.«
    Ein warmes Gefühl durchströmte mich. Odilie hatte mich zum ersten Mal beim Namen genannt. Mehr noch: Sie hatte sich zum ersten Mal bei mir bedankt. Ich legte mich neben sie und beugte mich hinunter, um Schnapp noch einmal zu streicheln und die Öllaterne am Boden zu löschen. Doch ich kam nicht dazu, denn Odilie sagte mit großer Bestimmtheit: »Du kannst nicht neben mir schlafen.«
    »Ach, und warum nicht?«, entgegnete ich ärgerlich. »Wenn ich mich nicht sehr irre, haben wir das schon ein paarmal getan.«
    »Das hier ist etwas anderes.«
    Ich ahnte, was sie meinte, aber es war mir einerlei. Ich war müde, ich war satt, ich wollte schlafen, und das sagte ich ihr unmissverständlich.
    Sie zögerte. »Kannst du dich nicht auf den Boden legen?«
    »Nein, das kann ich nicht.«
    »Dann … dann soll wenigstens Schnapp zwischen uns sein.«
    »Nun gut.« Ich hob den Kleinen ins Bett, wo er sogleich damit begann, unsere Gesichter abzulecken. Erst Odilies, dann meines. Ich versuchte, ihn davon abzuhalten, und fragte: »Was meinte die Meisterin eigentlich vorhin, als sie sagte, sie hätte mit deiner Krankheit

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