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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Doch vielleicht gab es eine andere Lösung. Ich überlegte und sagte dann: »Ich werde nach Sinsheim gehen und dafür sorgen, dass etwas gegen deine Schmerzen unternommen wird.«
    »Was hast du vor?«
    »Wart’s nur ab. Ich lasse dir Schnapp zur Gesellschaft hier. Am Nachmittag bin ich zurück.«
     
    Ich hielt Wort. Am späten Nachmittag war ich wieder bei Odilie und Schnapp, die beide unter der ausladenden Krone einer Eiche warteten. »Ich habe gute Neuigkeiten«, sagte ich nicht ohne Stolz, denn ich hatte mehr erreicht, als ich für möglich gehalten hätte. Odilie fragte, was das für Neuigkeiten seien, aber ich schwieg. »Wenn alles gutgeht, wirst du bald wieder ganz gesund sein. Komm mit.«
    Ich schulterte meine Weidenkiepe und schritt rüstig aus, denn ich wollte in Sinsheim sein, bevor die Stadttore schlossen. Wir schafften es knapp. Mit dem letzten Sonnenstrahl passierten wir glücklich das südliche Tor, und Odilie fragte mich wohl zum zehnten Mal, wohin ich sie brächte.
    »Jetzt, wo wir es geschafft haben, will ich dich nicht länger auf die Folter spannen«, antwortete ich. »Wir gehen zu einem Schmied.«
    »Zu einem Schmied?«
    Ich grinste. »Ja, du hast richtig gehört. Sein Name ist Meister Ysengard.«
    »Und der soll mir helfen können?«
    »Der nicht, aber seine Frau. Komm mit, wir müssen zur Zwingergasse.«
    Als wir in die Zwingergasse einbogen, hörten wir schon von weitem hell klingendes Hämmern. Ich betrat mit Odilie die Werkstatt und sah, dass Ysengard, ein Mann, dessen Gestalt einer Tonne glich, sehr beschäftigt war. Er richtete mit wuchtigen Schlägen eine rotglühende Pflugschar. Um ihn nicht zu stören, nahm ich Odilie beiseite und sagte mit gedämpfter Stimme: »Ich habe seine Frau kennengelernt. Sie jätete Unkraut in ihrem Bauerngarten. Es ist ein Garten, wie ihn sich viele Menschen in der Gegend halten. Küchen- und Heilkräuter wachsen darin in großer Zahl. Auch solche, die du gegen dein Leiden brauchst. Die Meisterin will für dich eine Arznei aus Goldrute, Kamillenblüten und Frauenmantel zubereiten, denn sie ist sicher, dass dich ein Blasenbrennen plagt.«
    »Sie scheint recht hilfsbereit zu sein.«
    »Das ist sie. Und sehr neugierig dazu. Ich konnte nicht umhin, ihr zu erzählen, dass wir auf unserem Weg, nun ja, die Nächte zusammen verbracht haben, und deshalb nimmt sie wie selbstverständlich an, wir wären verheiratet. Ich traute mich nicht, sie zu korrigieren, zumal Meister Ysengard nicht nur Schmied ist, sondern auch ein angesehener Bürger, der im Rat der Stadt sitzt und sicher nicht ins Gerede kommen will. Wenn ich dich aber lieber als Odilie, die Tochter Philipps des Aufrichtigen, vorstellen soll, sag es nur frei heraus.«
    Ich hatte meine Frage mit Bedacht gestellt, denn hätte Odilie sich zu erkennen geben wollen und Ysengard und seine Frau sich von ihrer hohen Herkunft überzeugen lassen, hätte ich die Verantwortung für sie ruhigen Gewissens abgeben und schon am nächsten Tag nach Erfurt aufbrechen können, um endlich mein ersehntes Medizinstudium aufzunehmen.
    Doch Odilie reagierte völlig anders als erwartet. »Glaubst du im Ernst, ich als Prinzessin würde in diesen Lumpen einem Ratsherrn und seiner Gemahlin begegnen wollen?«, fragte sie, um gleich selbst die Antwort zu geben: »Niemals!«
    Unterdessen schien Ysengard mit seiner Arbeit fertig zu sein. Er hielt die Pflugschar mit einer Zange fest und stieß das Eisenstück zum Abkühlen in den Löschtrog. Es zischte gewaltig, Dampf stieg auf. »Das wär erledigt«, sagte er mit dröhnender Stimme und wischte sich die Hand an der Lederschürze ab. »Ah, ich sehe, du bist zurück, Lukas, und hast dein Weib gleich mitgebracht.« Wohlgefällig ruhte sein Blick auf Odilie. »Wie war noch dein Name, junge Frau?«
    »Sie heißt Odilie«, sagte ich.
    »Odilie? Ein hübscher Name. Die zweitälteste Tochter unseres Landesherrn Philipp heißt ebenso. Nun, die Meisterin ist, soviel ich weiß, noch im Garten, rupft da das eine oder andere Kraut heraus, so dass ich euch um ein wenig Geduld bitten muss.«
    »Nicht nötig.« Die Meisterin betrat in diesem Augenblick die Werkstatt. Sie hatte den Arm voller Kräuter und blickte vorwurfsvoll. »Da hab ich wohl umsonst einen langen Hals gemacht und die Gasse rauf und runter geguckt, wenn ihr zwei euch hier in der Werkstatt versteckt.« Sie legte das Bündel Heilpflanzen zur Seite und ging mit offenen Armen auf Odilie zu. »Du bist also Odilie. Lukas hat viel von dir erzählt, so

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