Der Medicus von Saragossa
Schulter sah er Roque Arellano, den Fleischer von Saragossa, mit bloßen Füßen am Tisch sitzen und den Wein trinken, den Jona ihr geschenkt hatte.
Einige Sonntage später war Jona in der Kirche, als vom Priester das Aufgebot von Loretta Cavaller und Roque Arellano verkündet wurde. Nach ihrer Hochzeit begann Loretta, im florierenden Fleischergeschäft ihres Gatten mitzuarbeiten. Nuño hielt zwar Hühner, aber weder Rinder noch Schafe, und Reyna bat Jona einige Male, zu Arellano zu gehen und Fleisch zu kaufen oder auch Fisch, den er gelegentlich im Angebot hatte. Loretta bewies eine geschickte Hand, und Jona bewunderte die flinke, sichere Art, mit der sie das Fleisch schnitt und zurichtete. Arellanos Preise waren hoch, aber Loretta begrüßte ihn immer herzlich, und ihre engstehenden Augen strahlten, und oft schenkte sie ihm Markknochen, die Reyna benutzte, um eine Suppe zu kochen oder Geflügel zu schmoren.
Sowohl Nuño wie Reyna lebten bereits seit der Zeit auf der hacienda, als Juan de Gabriel Montesa noch Herr des Hauses war, und der jüdische Arzt hatte die Angewohnheit gehabt, jeden Freitag vor Sonnenuntergang, zur Vorbereitung auf den Sabbat, zu baden. Nuño und Reyna hatten den Brauch des wöchentlichen Bades übernommen, wobei Nuño am Montag und Reyna am Mittwoch in den Zuber stieg, so daß an einem Abend nur Wasser für ein Bad erhitzt werden mußte. Gebadet wurde in einer Kupferwanne, die vor dem Feuer stand, wo ein Kessel mit zusätzlichem Wasser simmerte.
Für Jona war es ein großer Luxus, jeden Freitag zu baden, wie Montesa es getan hatte, auch wenn er dazu seinen großen Körper in den engen Zuber zwängen mußte. Mittwoch abends ging er manchmal nach draußen, während Reyna badete, meistens jedoch blieb er in seiner Kammer, spielte auf seiner Gitarre oder arbeitete bei Kerzenlicht am Avicenna. Es fiel ihm schwer, sich auf das Auswendiglernen der Wirkstoffe, die wundschließende Wirkung hatten, und solcher, die wärmten, aber nicht reinigten, zu konzentrieren, wenn er sich gleichzeitig vorstellte, wie sie wohl aussah, die nackte Reyna unten in dem Zuber.
Wenn das Wasser kalt wurde, konnte er hören, wie Nuño zu ihr ging, den Kessel vom Feuer nahm und heißes Wasser in die Wanne nachgoß, so wie sie es montags für den Meister tat.
Freitags erwies Nuño auch seinem Lehrling diesen Dienst, doch man merkte ihm die Anstrengung deutlich an, wenn er mit langsamen Bewegungen den Kessel vom Haken hob, Jona einschärfte, die Beine aus dem Weg zu strecken, damit er ihn nicht verbrenne, und dann schwer atmend das heiße Wasser nachgoß.
»Er arbeitet zuviel. Er ist nicht mehr der Jüngste«, sagte Reyna eines Morgens zu Jona, als Nuño im Stall beschäftigt war.
»Ich versuche ja, ihm einiges abzunehmen«, erwiderte Jona schuldbewußt.
»Ich weiß. Ich habe gefragt, warum er soviel von seiner Kraft auf deine Ausbildung verwendet«, gestand sie ihm unumwunden. »Er sagte nur: ›Weil er es wert ist.‹« Sie zuckte die Achseln und seufzte.
Jona konnte ihr keinen Trost spenden. Nuño zwang sich, selber auszureiten, auch wenn die Fälle so gewöhnlich waren, daß der Lehrling alleine die Folgebesuche hätte übernehmen können. Es genügte Nuño nicht, daß Jona Rhazes gelesen hatte und so bereits wußte, daß der Körper überflüssige Stoffe und Gifte bei jedem Wasserlassen ausschied; viel wichtiger schien es ihm, Jona am Krankenbett auf die zitronengelbe Farbe im Urin eines Patienten hinzuweisen, der an einem langwierigen Fieber litt, auf die rötliche Färbung der Ausscheidung zu Beginn eines Malariaanfalls, der alle zweiundsiebzig Stunden wiederkehrte, oder auf den weiß schäumenden Urin, der manchmal mit eitergefüllten Furunkeln einherging. Er lehrte Jona, die unterschiedlichen Gerüche der verschiedenen Krankheit im Urin zu erkennen.
Meisterschaft bewies Nuño auch in Kunst und Wissenschaft der Arzneimittelherstellung. Er wußte, wie man Kräuter trocknete und zu Pulver zermahlte, und kannte sich aus mit der Herstellung von Salben und Tinkturen, aber er verzichtete darauf, seine eigenen Arzneien herzustellen. Statt dessen war er Stammkunde eines alten Franziskaners, Fray Luis Guerra Medina, einem geschickten Apotheker, der bereits für Juan de Gabriel Montesa Arzneien hergestellt hatte.
»Es kommt sehr schnell der Verdacht einer Vergiftung auf, vor allem, wenn ein Mitglied des Hofes stirbt«, erklärte Nuño Jona. »Lange Zeit verbot die Kirche allen Christen, Arzneien einzunehmen, die von
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