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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Ärzte des Bezirks zu Prüfern für die Bewerber um die ärztliche Zulassung. Nuño hatte auch schon als Prüfer gedient und kannte das Verfahren gut.
    »Mir wäre lieber gewesen, wenn du mit deiner Prüfung bis nach dem Ausscheiden eines der gegenwärtigen Prüfer, Pedro de Calca, hättest warten können«, sagte er zu Jona. Viele Jahre lang war Calca dem Arzt von Saragossa mit Groll und Neid begegnet. Doch Nuño spürte, daß ihm keine Zeit mehr blieb. »Ich kann kein Jahr mehr warten«, sagte er zu Jona. »Und ich glaube, du bist bereit.« Am nächsten Tag ritt er zum Rathaus von Saragossa und meldete Jona für die Prüfung an.
    Am Tag der Prüfung verließen Schüler und Lehrer früh das Haus und ritten langsam durch die morgendliche Wärme. Vor Aufregung sprachen sie nur wenig. Jetzt war es zu spät, um Jonas Verstand noch zu schärfen, dafür hatten sie vier lange Jahre Zeit gehabt.
    Das Rathaus roch nach Staub und Jahrhunderten menschlicher Geschäftigkeit, obwohl an diesem Morgen nur Jona, Nuño und die Prüfer anwesend waren.
    »Meine Herren, ich habe die Ehre, Euch Señor Ramón Callicó zur Prüfung vorzustellen«, sagte Nuño ruhig.
    Einer der Prüfer war Miguel de Montenegro, ein kleiner, ernster Mann mit silbernem Haar und Bart. Nuño kannte ihn seit vielen Jahren und hatte Jona versichert, daß Montenegro als Prüfer streng und gewissenhaft, aber auch gerecht sein würde.
    Der zweite Prüfer, Calca, war ein lächelnder, lebhafter Mann mit roten Haaren und einem spitzen Bärtchen. Er trug einen mit vertrocknetem Blut, Eiter und Schleim verschmierten Kittel. Nuño hatte Jona den Kittel bereits voller Verachtung als »dieses Mannes prahlerische Anpreisung seines Gewerbes« beschrieben und ihn gewarnt, daß Calca Galen gelesen habe und sonst kaum etwas, so daß sich die meisten seiner Fragen auf Galen beziehen würden.
    Die vier Männer setzten sich an den Tisch. Jona sagte sich, daß Nuño Fierro zweieinhalb Jahrzehnte zuvor ebenfalls in diesem Zimmer gesessen und seine Prüfung abgelegt hatte, und Jahrzehnte davor auch Juan de Gabriel Montesa, zu einer Zeit, als ein Medicus sich noch als Jude zu erkennen geben durfte.
    Jedem Prüfer standen zwei Runden Fragen zu, und Montenegro machte, seinem Rang als Ältester entsprechend, den Anfang. »Wenn Ihr gestattet, Señor Callicó. Ich möchte, daß Ihr uns die Vor- und Nachteile der Verschreibung von Theriak als Mittel gegen Fieber nennt.«
    »Ich will mit den Nachteilen beginnen«, sagte Jona, »denn es gibt nur wenige, die schnell abgehandelt sind. Da diese Arznei aus bis zu siebzig Kräuteringredienzen besteht, ist sie schwierig in der Herstellung und teuer in der Beschaffung. Der Hauptvorteil besteht darin, daß sie ein bewährtes und wirksames Mittel gegen Fieber, Erkrankungen der Eingeweide und sogar gewisse Formen von Vergiftung ist...« Jona spürte, wie er sich entspannte, während er in flüssiger Rede Punkt um Punkt abhandelte und versuchte, in seiner Darlegung umfassend, aber nicht ausschweifend zu sein.
    Montenegro schien sie zufriedenzustellen. »Meine zweite Frage betrifft den Unterschied zwischen Quartan- und Tertianfieber.«
    »Tertianfieber tritt jeden dritten Tag auf, wobei der Tag des Auftretens als erster Tag gerechnet wird. Quartanfieber tritt jeden vierten Tag auf. Diese Fieber kommen hauptsächlich in Gegenden vor, wo das Klima warm und feucht ist, und sind oft begleitet von Schüttelfrösten, Schweißausbrüchen und großer Schwäche.«
    »Schnell und knapp beantwortet. Nun zur Heilung von Hämorrhoiden: Würdet Ihr sie mit dem Messer entfernen?«
    »Nur wenn sonst nichts hilft. Oft hilft gegen Schmerzen und Unannehmlichkeiten eine gesunde Ernährung, die alles Scharfe, Salzige und sehr Süße vermeidet. Bei starken Blutungen können Styptika angewendet werden. Wenn die Hämorrhoiden stark anschwellen, aber nicht bluten, kann man sie mit einem Skalpell öffnen oder mit Hilfe von Egeln entleeren.«
    Montenegro nickte und lehnte sich zurück, womit er andeutete, daß nun Pedro de Calca an der Reihe war.
    Calca strich sich den Bart. »Erläutert uns bitte die Galensche Säftelehre«, sagte er und lehnte sich zurück.
    Jona war darauf vorbereitet und holte kurz Atem. »Sie entstand als eine Reihe von Ideen, die von der hippokratischen Schule formuliert und von anderen frühen medizinischen Philosophen, vor allem Aristoteles, verfeinert wurde. Galen faßte diese Gedanken zu einer Theorie zusammen, die besagt, daß alle Dinge aus vier

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