Der Medicus von Saragossa
Juden hergestellt wurden, da eine Vergiftung befürchtet wurde. Einige jüdische Ärzte stellten trotzdem ihre eigenen Heilmittel her, aber eine ganze Reihe von Ärzten, sowohl Alte Christen wie Juden, wurden von Patienten, die ihre Arztrechnungen nicht bezahlen wollten, des versuchten Giftmords beschuldigt. Juan de Gabriel Montesa hielt es für sicherer, sich eines Apothekers zu bedienen, der ein Mönch ist, und auch ich halte mich an Fray Guerra. Ich habe herausgefunden, daß er sehr wohl zwischen Wasserhanf und Röhrenkassie zu unterscheiden weiß.« Jona erkannte, in welche Gefahr er sich begeben hatte, als er Loretta Cavaller die Heilkräuter brachte, und er begriff, daß er so etwas nicht wieder tun durfte. So lernte er von dem Älteren und hörte aufmerksam zu, wenn Nuño Fierro ihn auf das Leben als Arzt vorzubereiten versuchte, durch die Vermittlung sowohl medizinischen Wissens als auch der einfacheren Dinge, die ein erfolgreiches Praktizieren ausmachten.
Nach gut einem Jahr als ärztlicher Lehrling erkannte Jona eines Tages, daß in dieser Zeit elf ihrer Patienten gestorben waren.
Er hatte bereits genug Medizin gelernt, um zu erkennen, daß Nuño Fierro ein außergewöhnlich guter Arzt war, und zu begreifen, was für ein Glück er mit einem solchen Lehrer hatte, und doch belastete es ihn, daß er im Begriff stand, einen Beruf zu ergreifen, in dem der Ausübende so oft versagte.
Nuño Fierro beobachtete seinen Schüler, wie ein guter Pferdepfleger ein vielversprechendes Tier betrachtet. Er sah, daß Jona erbittert gegen die hereinbrechende Dunkelheit ankämpfte, wenn ein Patient im Sterben lag, und er bemerkte den Ernst, der sich mit jedem Todesfall im Wesen des jungen Mannes verfestigte.
Er wartete ab, bis eines Abends Lehrer und Schüler müde und mit Bechern voller Wein in der Hand vor dem Feuer saßen.
»Du hast den Mann getötet, der meinen Bruder ermordet hat. Hast du auch anderen das Leben genommen, Ramón?«
»Ja, das habe ich.«
Nuño trank einen Schluck Wein und beobachtete dann seinen Lehrling, während der von seinem Anteil an der Ermordung der beiden Reliquienhändler berichtete.
»Wenn du diese Zeiten noch einmal durchleben könntest, würdest du dich anders verhalten?« fragte Nuño.
»Nein, weil alle drei Männer mich getötet hätten. Aber der Gedanke, daß ich Menschen das Leben genommen habe, ist eine Last für mich.«
»Und willst du Arzt werden, um für all dies zu sühnen, indem du anderen das Leben rettest?«
»Das war nicht der Grund, warum ich dich gebeten habe, mich die Heilkunst zu lehren. Aber es kann sein, daß ich in letzter Zeit solche Gedanken hatte«, gab Jona zu.
»Dann mußt du dir über die Möglichkeiten und Grenzen der Heilkunst klarwerden. Ein Arzt kann die Leiden einer kleinen Anzahl von Menschen lindern. Wir bekämpfen ihre Krankheiten, wir verbinden ihre Wunden, wir richten ihre gebrochenen Knochen und entbinden sie von ihren Kindern. Aber jedem lebendigen Wesen ist ein Ende bestimmt. So kommt es, daß trotz unseres Wissens, unserer Fähigkeit und unserer Leidenschaft einige unserer Patienten sterben, und wir dürfen deswegen nicht übermäßig trauern oder uns schuldig fühlen, weil wir keine Götter sind, die ewiges Leben schenken können. Statt dessen müssen wir, wenn diese Menschen ihre Zeit wohl genutzt haben, dankbar sein, daß ihnen die Gnade des Lebens gewährt wurde.«
Jona nickte. »Ich verstehe.«
»Das hoffe ich«, sagte Nuño. »Denn wenn dir diese Einsicht fehlt, kannst du kein guter Arzt sein, weil du den Verstand verlierst.«
2. Die Prüfung des Ramón Callicó
A m Ende des zweiten Jahres von Jonas Lehrzeit schien sein Lebensweg klar und bestimmt, und doch lernte Jona mit unverminderter Begeisterung, was Nuño ihm beibrachte.
Ihr Wirkungskreis erstreckte sich weit ins Umfeld von Saragossa, und sie hatten viel zu tun, sowohl im Behandlungszimmer in der Scheune wie auch mit Besuchen bei Patienten. Der Großteil von ihnen bestand aus den einfachen Leuten der Stadt und der umliegenden Bauernhöfe. Gelegentlich wurde Nuño auch zu einem Adligen gerufen, und er leistete diesen Rufen immer Folge, gestand aber Jona, daß adlige Patienten oft herrisch seien und den Arzt nur äußerst ungern für seine Arbeit bezahlten, und daß er deshalb nicht sonderlich erpicht auf sie sei. Doch am 20. November des Jahres 1504 erhielt er einen Ruf, den er nicht unbeachtet lassen konnte.
Am Ende dieses Sommers waren König Ferdinand und Königin Isabella
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