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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Die Bäume im Obstgarten, die Jona gestutzt und gedüngt hatte, blühten üppig, und er sah zu, wie die duftenden rosafarbenen Blüten abfielen und binnen weniger Wochen die ersten kleinen Früchte an ihre Stelle traten, Äpfel und Birnen, beide noch hart und grün.
    An einem regnerischen Tag kam eine Witwe namens Loretta Cavaller zum Haus des Arztes und beklagte sich, daß seit zwei Jahren ihre monatliche Regel so gut wie versiegt sei und sie statt dessen an heftigen Krämpfen leide. Sie war eine zierliche Frau mit heller Haut und mausbraunen Haaren, die nur stockend von ihren Schwierigkeiten sprach, die engstehenden Augen immer zur Wand, nie auf Jona oder Nuño gerichtet. Sie sei bereits bei zwei Hebammen gewesen, berichtete sie, und habe Salben und Zaubermittel erhalten, aber nichts habe geholfen.
    »Habt Ihr Stuhlgang?« fragte Nuño.
    »Nicht immer.«
    Gegen die Verstopfung verschrieb er ihr Leinsamen, den sie in kaltem Wasser eingeweicht einnehmen sollte. Vor dem Haus stand ihr Pferdekarren, doch Nuño trug ihr auf, den Wagen für eine Weile stehenzulassen und auf dem Pferd zu reiten, wann immer sie aus dem Haus müsse. Zur Förderung der monatlichen Blutungen solle sie Kirschbaumrinde, Portulak und Himbeerblätter in Wasser kochen, den Sud viermal täglich in kleinen Schlucken trinken und diese Behandlung noch dreißig Tage nach Wiedereinsetzen der regelmäßigen Blutungen fortsetzen.
    »Woher soll ich denn die Zutaten nehmen?« fragte sie, und Nuño sagte ihr, daß sie sie beim Apotheker in Saragossa kaufen könne.
    Doch am folgenden Nachmittag sammelte Jona Rindenstreifen von einem wilden Kirschbaum und pflückte Portulak und junge Blätter von einem Himbeerstrauch, und abends ging er mit den Kräutern und einer Flasche Wein zu dem kleinen Haus der Frau am Ebro. Ihre Füße waren nackt, als sie ihm öffnete, aber sie ließ ihn ein und dankte ihm für Rinde und Blätter. Sie gab ihm einen Becher des mitgebrachten Weins und goß sich auch selbst einen Becher ein, und dann saßen sie auf zwei wunderschön geschnitzten Stühlen vor dem Feuer. Als Jona die Möbelstücke lobte, erwiderte sie, daß ihr verstorbener Gatte Fernando Reverte, der Schreinermeister gewesen sei, sie gefertigt habe.
    »Wie lange ist Euer Gatte schon tot?« fragte Jona, und die Frau erwiderte, zwei Jahre und zwei Monate sei es her, seit Fernando vom Soor befallen und dahingerafft worden sei, und sie bete täglich für seine unsterbliche Seele.
    Sie waren beide befangen in Gegenwart des anderen, und ihre Unterhaltung verlief schleppend, immer wieder von verlegenem Schweigen unterbrochen. Jona wußte sehr wohl, was er wollte, doch er war nicht bewandert in der Art von Gespräch, die dergleichen herbeiführte. Als er schließlich aufstand, erhob auch sie sich; Jona wußte, daß er gehen mußte, wenn er jetzt nichts unternahm, und so legte er die Arme um sie und bückte sich, um sie zu küssen.
    Loretta Cavaller hielt sehr still in seiner Umarmung, löste sich dann, nahm die Öllampe und führte ihn durchs Zimmer. Er folgte ihren nackten Füßen eine steile, schmale Treppe hinauf. In ihrer Kammer erhaschte Jona nur einen kurzen Blick auf ihre Bettstatt, die Fernando noch kunstvoller als die Stühle geschnitzt und über und über mit eichenen Weintrauben, Feigen und Granatäpfeln verziert hatte, denn sie nahm die Lampe und stellte sie auf den Boden des Flurs. Dann war nur noch das Rascheln von Stoff auf Haut zu hören, als sie sich ihrer Kleider entledigten.
    Sie stürzten sich aufeinander wie zwei ausgedörrte Reisende in einer trockenen Wüste, als würde jeder beim anderen frisches Süßwasser erwarten; doch die Vereinigung brachte Jona nur Erleichterung und nicht die üppige Freude, nach der er sich sehnte. Als sie danach in der dunklen, nach ihrer Fleischeslust duftenden Kammer lagen, erkundete er mit seinen Händen schlaffe Brüste, spitze Hüftknochen und knubbelige Knie.
    Sie zog ihren Kittel wieder an, bevor sie die Lampe holte. Jona sollte sie nie nackt sehen. Obwohl er sie noch dreimal besuchte und bei ihr lag, fehlte ihren Vereinigungen die Leidenschaft, und es war fast so, als würde er mit ihrem geborgten Körper Selbstbefriedigung begehen. Sie hatten sich so gut wie nichts zu sagen; auf stockende Unterhaltung folgte schnelle Befriedigung in dem schönen Bett und darauf wenige und verlegene Worte, bevor er sich verabschiedete. Als er zum vierten Mal an ihre Tür klopfte, öffnete sie zwar, aber ließ ihn nicht ein, und über ihre

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