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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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sich sein Lehrer zeigt«, sagte Montenegro und erhob sich, um das dicke, ledergebundene städtische Register vom Regal zu holen. Er verzeichnete darin die Namen der Prüfer und des Bewerbers und auch die Auskunft, daß am 17. Oktober im Jahre des Herrn 1506 Señor Ramón Callicó aus Saragossa geprüft und für würdig befunden und als Arzt zugelassen worden sei.
    Auf dem Nachhauseweg saßen Schüler und Lehrer in ihren Sätteln und kicherten wie Kinder oder Betrunkene.
    »Ich glaube, ich habe es bei Teodorico Borgognoni gelesen! Ich glaube, ich habe es bei Teodorico Borgognoni gelesen!« äffte Nuño Jona nach.
    »Aber Señor Montenegro... Warum ist er mir beigesprungen?«
    »Miguel de Montenegro und ich haben einige Male miteinander seziert, als wir noch jünger waren. Ich bin mir sicher, er hat sofort erkannt, warum du mit solcher Sicherheit über die Erscheinungsform von etwas reden konntest, das sich im Körperinneren befinden soll.«
    »Ich bin ihm sehr dankbar, und ich hatte Glück.«
    »Ja, du hattest Glück, aber du hast dich auch auf eine Art verhalten, die dir zur Ehre gereicht.«
    »Ich hatte großes Glück mit meinem Lehrer, Meister«, sagte er.
    »Du solltest mich nun nicht mehr Meister nennen, denn jetzt sind wir Kollegen«, erwiderte Nuño, doch Jona schüttelte den Kopf.
    »Es gibt zwei Männer, denen ich immer dankbar sein werde«, sagte er. »Beide heißen Fierro. Und jeder wird für mich immer ein Meister sein.«

3. Ein schwieriges Tagwerk
    N ur wenige Wochen nach der Prüfung übergab Nuño Jona einen Teil seiner Patienten. Mit jedem Tag fühlte Jona sich mehr als Arzt und weniger als Lehrling. Ende Februar berichtete ihm Nuño, daß in Saragossa die jährliche Versammlung der Ärzte Aragóns stattfinden sollte. »Es wäre gut für dich, wenn du zu der Versammlung gehst und deine Kollegen kennenlernst«, sagte er zu Jona, und beide legten ihre Verpflichtungen so, daß sie teilnehmen konnten.
    Als sie in dem Gasthaus eintrafen, fanden sie dort sieben andere Ärzte, die Wein tranken und gebratene, mit Knoblauch gewürzte Ente aßen. Sowohl Pedro de Calca als auch Miguel de Montenegro begrüßten sie, und Nuño bereitete es ein offensichtliches Vergnügen, Jona den anderen fünf – Ärzte aus weiter entlegenen Teilen des Bezirks – vorzustellen. Nach dem Essen hielt Calca einen Vortrag über die Rolle des Pulses bei Krankheiten. Jona fand ihn schlecht vorbereitet, und es betrübte ihn, daß jemand, der ihn erst kürzlich geprüft hatte, einen so armseligen Vortrag halten konnte. Danach stampften die anderen mit den Füßen Beifall, und als Calca sich erkundigte, ob jemand eine Frage habe, wagte keiner, sich zu erheben.
    Jona wunderte es, daß Calca nur drei Arten des Pulses genannt hatte: kräftig, schwach und unregelmäßig. Wage ich es, ihm zu widersprechen, fragte sich Jona, der sich nur zu deutlich bewußt war, daß er als Arzt noch ein Neuling war. Doch er konnte nicht widerstehen, und so hob er die Hand.
    »Señor Callicó?« sagte Calca mit offensichtlicher Belustigung. »Ich möchte gern hinzufügen... darauf hinweisen... daß Avicenna von neun Arten des Pulses schreibt. Der erste, ein gleichmäßiger, kräftiger Schlag, der auf gesunde Ausgeglichenheit hindeutet. Ein stetiger, noch kraftvollerer Schlag, ein Zeichen für ein starkes Herz. Ein schwacher Puls, der das genaue Gegenteil ist und eine geringe Lebenskraft bedeutet. Und verschiedene Arten der Schwäche – ein langer und ein kurzer, ein schmaler und ein voller, ein oberflächlicher und ein tiefer.«
    Entsetzt sah er, daß Calca ihn wütend anstarrte. Und neben sich spürte er, daß Nuño sich erhob.
    »Wie gut ist es doch, daß wir bei unserer Versammlung sowohl einen neuen Medicus voller frischem Bücherwissen haben als auch einen hervorragenden und erprobten Heilkundler, der genau weiß, daß in der alltäglichen Behandlung unserer Patienten die Regeln unserer Kunst durch Erfahrung und hart erarbeitete Weisheit ein wenig vereinfacht werden.« Vereinzeltes Kichern kam von den Zuhörern und erneutes Stampfen, und Calca lächelte besänftigt. Jona spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg, und setzte sich wieder.
    Zu Hause angekommen, machte Jona seiner Empörung Luft. »Wie konntest du nur so reden, wo du doch wußtest, daß Calca unrecht hatte und ich recht?«
    »Weil Calca genau der Mann ist, der zur Inquisition geht und einen Rivalen der Ketzerei beschuldigt, wenn er sich beleidigt fühlt, und das hat jeder der anwesenden

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