Der Medicus von Saragossa
nach draußen und machte sich an die Arbeit.
In einem der Verschläge für das Vieh standen gesägte Bretter, die zwar schon recht alt, aber noch brauchbar waren, und Jona maß Nuño mit einem Stück Schnur ab und sägte dann die Bretter zurecht. Er brauchte fast den ganzen Vormittag, um den Sarg zu zimmern. Auch mußte er Reyna fragen, ob es irgendwo Nägel gab, und sie brachte sie ihm.
Danach nahm er Hacke und Spaten, ging auf die Hügelkuppe und grub ein Loch. Es war bereits Winter in Saragossa, aber der Boden war noch nicht gefroren, und dank Jonas stetiger Arbeit nahm das Grab bald Gestalt an. Es war viele Jahre her, seit er als peón gearbeitet hatte, und er wußte, daß sein Körper ihn am nächsten Tag an die Plackerei erinnern würde. Er arbeitete langsam und sorgfältig, machte die Seitenwände gerade und glatt und das Grab so tief, daß es ihn Mühe kostete, wieder herauszuklettern. Erde und kleine Steine rieselten herab, als er sich hochstemmte.
In der Scheune wickelte er die blutigen Lumpen in ein sauberes Tuch und stopfte das Bündel neben Nuño in den Sarg. Es war der sicherste Weg, sie loszuwerden, und als Jona den Deckel auf die Kiste nagelte, wußte er, daß es genau das war, was Nuño ihm befohlen hätte. Auch ohne die Lumpen würde es noch schwierig genug werden, alles so aufzuräumen, daß von der Autopsie keine Spur blieb.
Er brauchte den ganzen Tag für diese Arbeiten. Es dämmerte bereits, als er Nuños Braunen und seinen grauen Araber vor den Karren spannte. Reyna mußte helfen, die schwere Last aus der Scheune zu tragen.
Es war ein hartes Stück Arbeit für die beiden, den Sarg in das Loch zu senken. Er legte zwei Seile über das Grab und verknotete die Enden zu Schlaufen, die er über vier kräftige, in die Erde gerammte Pflöcke steckte. Als sie den Sarg über das Grab schoben, hielten die Seile, aber sie mußten die Schlaufen von den Pflöcken ziehen und dann beide Seile gleichzeitig straff halten, so daß sie den Sarg langsam und Stück für Stück in das Grab senken konnten. Reyna war stark und von schwerer Arbeit abgehärtet, aber als sie die Schlaufe vom zweiten Pflock hob, verlor sie kurz die Gewalt über das erste Seil, so daß eine Ecke des Sargs absackte und sich in die Wand des Lochs grub.
»Zieh fest an dem Seil«, sagte er, und seine Stimme klang viel ruhiger, als er sich fühlte. Aber sie hatte bereits damit angefangen, bevor er es sagte. Der Sarg war noch immer nicht ganz waagrecht, aber die Neigung war nicht mehr schlimm.
»Tritt einen Schritt vor«, sagte er, und sie taten es beide gleichzeitig. Auf diese Art rückten sie Schritt um Schritt vor und senkten den Sarg ab, bis er auf dem Boden des Grabs ruhte.
Eins der Seile konnte Jona herausziehen, aber das zweite hing unter dem Sarg fest. Vielleicht hatte sich die Schlaufe an einer Wurzel verfangen, und nachdem er noch ein paarmal vergeblich daran gezerrt hatte, warf er sein Seilende in das Grab.
Reyna betete ein Vaterunser und ein Ave Maria, und dabei weinte sie leise, als schäme sie sich ihrer Trauer.
»Fahr den Karren in die Scheune zurück«, sagte er sanft. »Dann geh ins Haus. Ich mache das hier fertig.«
Reyna war eine Frau vom Land, die mit Pferden umgehen konnte, aber er wartete, bis der Karren halbwegs den Hügel hinuntergefahren war, bevor er zum Spaten griff. Die erste Ladung Erde nahm er mit dem Spatenrücken auf, ein jüdischer Brauch, der symbolisierte, daß es schwer war, jemanden zu begraben, den man so sehr vermissen würde. Dann drehte er den Spaten um und stieß ihn ächzend tief in den Erdhaufen. Anfangs prasselte die Erde laut und hohl auf den Sarg, doch als dann Erde auf Erde fiel, wurde das Geräusch leiser.
Das Loch war erst halb gefüllt, als die Nacht hereinbrach, doch am Himmel stand ein voller, weißer Mond, so daß er noch genug sehen konnte, um stetig und mit nur wenigen Pausen weiterarbeiten zu können.
Er war fast fertig, als Reyna wieder auf den Hügel kam. Ein Stückchen vor der Kuppe blieb sie stehen. »Wie lange brauchst du noch?« rief sie.
»Nicht mehr lange«, sagte er, und sie drehte sich wortlos um und kehrte ins Haus zurück.
Als er die Erde auf das Grab gehäuft hatte, so gut er es eben konnte, legte er die Hände auf den bloßen Kopf und sagte das Kaddisch für den Toten, und dann trug er Hacke und Spaten in die Scheune zurück. Im Haus sah er, daß Reyna bereits in ihre Kammer gegangen war. Sie hatte die Kupferwanne vor den Kamin gestellt. Das Wasser im Zuber war
Weitere Kostenlose Bücher