Der Medicus von Saragossa
Fieber.
Es war durchaus keine Pandemie, nicht einmal eine richtige Epidemie, aber er hatte sehr viele Hausbesuche zu machen. Solange nur die Fieberzyklen der Patienten nicht alle am selben Tag anfingen und endeten, sagte er sich, würde er es schon schaffen. Und jedem Patienten versprach er, daß die Krankheit wie durch Zauberhand verschwinden würde, wenn er nur zehn Tage lang seine Anweisungen streng befolgte.
Wenn er abends heimkam, war er oft zu müde, um noch Hausarbeiten zu erledigen oder sich etwas zu kochen. Manchmal stellte er die Damesteine auf das Brett und versuchte zu spielen, indem er für beide Seiten zog, aber so machte das Spiel keinen Spaß.
Ein Gefühl der Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit wurde immer stärker in ihm, und als seine Patienten schließlich nicht mehr fieberten und kaum mehr husteten, beschloß er, einen Tag freizunehmen und Reyna zu besuchen.
Der Ort, in dem sie wohnte, war nur eine Ansammlung von winzigen Bauernhöfen und Holzfällerhütten, einen halbstündigen Ritt von den Außenbezirken Saragossas entfernt. Er hatte keinen Namen und keine eigene Verwaltung, aber die Menschen, die dort seit Generation lebten, fühlten sich zusammengehörig, und sie hatten sich angewöhnt, den Ort El Pueblecito, das Dörfchen, zu nennen.
In der kleinen Siedlung angekommen, hielt er sein Pferd vor einer alten Frau an, die in der Sonne saß. Er fragte nach Reyna, und sie schickte ihn zu einem Haus neben dem eines Sägers. Dicht neben diesem Haus standen zwei Männer im Lendenschurz – ein Mann mit langen weißen Haaren und ein jüngerer, muskulöserer Kerl – in einer Grube und zogen, die schweißfeuchte Haut mit Sägemehl bestäubt, eine lange Säge über einen Kiefernstamm.
Im Haus fand er Reyna auf Händen und Knien; sie wischte eben den Steinboden. Sie sah so gesund aus wie eh und je, nur etwas älter, als er sie in Erinnerung hatte. Als sie sah, wer eingetreten war, hörte sie auf zu wischen und lächelte. Dann stand sie auf und wischte sich die Hände an ihrem Kittel trocken.
»Ich habe dir Wein mitgebracht. Die Sorte, die du magst«, sagte er, und sie nahm den Krug entgegen und dankte ihm.
»Nimm doch am Tisch Platz«, sagte sie und holte zwei Gläser und einen Krug, der, wie sich zeigte, Cognac enthielt.
»Salud.«
»Salud.« Der Cognac war gut. Und so stark, daß Jona blinzelte.
»Hast du inzwischen eine Haushälterin gefunden?«
»Noch nicht.«
»Dabei habe ich dir zwei gute Frauen geschickt. Carla und Petronila. Sie haben gesagt, du hättest sie wieder weggeschickt.«
»Vielleicht war ich zu sehr an deine Art der Haushaltsführung gewöhnt.«
»Du mußt einsehen, daß es Veränderungen gibt. Das ganze Leben besteht aus Veränderungen«, sagte sie. »Willst du, daß ich dir noch eine andere schicke? Im Frühling kommt wieder die Zeit für den großen Hausputz.«
»Ich werde mein Haus selber putzen.«
»Du? Du bist doch der Arzt. Du darfst deine Zeit nicht so vergeuden«, sagte sie streng.
»Du hast hier ein sehr schönes Haus gefunden«, bemerkte er, um das Thema zu wechseln.
»Ja, und ich will ein Rasthaus daraus machen. Es gibt sonst nirgendwo in der Nähe Obdach gegen Entgelt, und wir liegen an der Straße nach Monzon und Katalonien, auf der viele Reisende unterwegs sind.« Sie habe noch nicht angefangen, zahlende Gäste aufzunehmen, sagte sie, da in dem Haus noch zusätzliche Schreinerarbeiten nötig seien, bevor es als Gasthof dienen könne.
Sie saßen da und tranken Cognac, und während er ihr Klatsch und Neuigkeiten aus Saragossa berichtete, erzählte sie ihm vom Leben im Dorf. Von draußen kam leise das Ratschen der Säge.
»Wann hast du das letzte Mal gegessen?«
»Heute, frühmorgens.«
»Dann koche ich dir jetzt etwas.«
»Ich hätte gern geschmortes Geflügel.«
»... Ich koche dieses Gericht nicht mehr.«
Sie setzte sich wieder und sah ihn an. »Hast du die zwei Männer gesehen, die draußen Holz sägen?«
»Ja.«
»Einen der beiden werde ich bald heiraten.«
»Aha. Den Jüngeren?«
»Nein, den anderen. Sein Name ist Álvaro.« Sie lächelte. »Seine Haare sind weiß, aber er ist sehr stark«, sagte sie trocken. »Und er ist ein hervorragender Arbeiter.«
»Ich wünsche dir das Glück, das zu verdienst, Reyna.«
»Danke.«
Sie merkte, daß er ins Dorf gekommen war, um sie zur Rückkehr zu überreden, das wußte er, aber sie lächelten einander an, und nach einer Weile stand sie wieder auf und stellte Essen auf den Tisch: einen Laib frisches
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