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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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einmal gewesen sein mußte, ein törichtes Mädchen vielleicht, jünger und hübscher. Hatte Bonestruca ihr die Angst vor ihm genommen und sie verführt? War sie beim ersten Mal geschändet worden? Oder war sie eine ruchlose Dirne gewesen, die es vielleicht höchst unterhaltsam fand, sich mit einem so merkwürdigen Geistlichen niederzulegen, ohne zu wissen, was für ein Leben ihr bevorstand?
    »Er wird immer unberechenbarer.«
    »Wann hat das angefangen?«
    »Vor einigen Jahren. Es wird immer schlimmer. Was ist die Ursache?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht hat es etwas mit der Lues zu tun, die er lange hatte.«
    »Er hat seit vielen Jahren nicht mehr an der Lues gelitten.«
    »Ich weiß, aber das ist das Wesen dieser Krankheit. Vielleicht leidet er jetzt wieder an ihr.«
    »Kann man denn nichts tun?«
    »Um Euch die Wahrheit zu sagen, Señora, ich weiß weder etwas über die Ursache eines gestörten Geistes, noch kann ich Euch an einen Kollegen verweisen, der in der Behandlung dieser Krankheit beschlagener ist. Der Wahnsinn ist für uns Geheimnis und Magie... Wie lange saß er gestern abend noch bewegungslos vor dem Spiegel?«
    »Sehr lange, bis kurz vor Mitternacht. Ich gab ihm dann heißen Wein, und er trank ihn und fiel ins Bett und schlief sofort ein.«
    Jona selbst hatte schlecht geschlafen, nachdem er noch lange wach gesessen und beim Kerzenschein über den Wahnsinn gelesen hatte. Im Jahr zuvor hatte er das Einkommen von zwei Monaten darangegeben, um die medizinische Bibliothek, die Nuño hinterlassen hatte, um ein Traktat mit dem Titel De Parte Operativa zu erweitern. Darin schrieb Arnau de Vilanova, daß es zu Wahnsinn komme, wenn ein Übermaß an Galle trockne und das Hirn erhitze, was Ruhelosigkeit, Geschrei und Angriffslust zur Folge habe. »Wenn Fray Bonestruca... sich aufregt, müßt Ihr ihm einen Aufguß aus Tamarinde und Borretsch in kaltem Wasser geben.« Für Zeiten wie am Abend zuvor, als Bonestruca wie betäubt gewesen war – Vilanova sagte, die Franzosen nannten solche Anfälle folie pamlytique-, gab Avicenna an, daß der Patient gewärmt werden müsse, und Jona verschrieb gemahlenen Paprika vermischt mit heißem Wein.
    Maria Juana war verzweifelt. »In letzter Zeit verhält er sich so merkwürdig. Er ist fähig zu... unbesonnenen Handlungen. Ich fürchte um unsere Zukunft.«
    Es war ein hartes Leben für diese Frau und ihre Kinder, die so abhängig waren von dem buckligen Mönch. Jona schrieb ihr das Rezept aus und hieß sie, damit zu Fray Medinas Apotheke zu gehen. Und während er sein Pferd absattelte, sah er ihr nach, wie sie auf ihrem Esel davonritt.
    Er hätte gern ein paar Tage gewartet, bevor er zu der finca zurückkehrte, doch er ging schon am nächsten Morgen wieder hin, weil er um die Frau und ihre Kinder fürchtete.
    Doch als er ankam, saß Bonestruca untätig im hinteren Zimmer des Hauses. Maria Juana flüsterte ihm zu, daß er geweint habe. Der Mönch erwiderte Jonas Gruß mit einem Nicken.
    »Wie geht es Euch heute, Fray Bonestruca?«
    »... Schlecht. Wenn ich scheiße, brennt es wie Feuer.«
    »Das kommt von dem Tonikum, das ich verschrieben habe. Das Brennen vergeht wieder.«
    »Wer seid Ihr?«
    »Ich bin Callicó, der Arzt. Erinnert Ihr Euch nicht an mich?«
    »... Nein.«
    »Erinnert Ihr Euch an Euren Vater?«
    Bonestruca sah ihn an.
    »Eure Mutter?... Nun gut, macht nichts, Ihr werdet Euch schon wieder an sie erinnern. Seid Ihr traurig, Señor?«
    »... Natürlich bin ich traurig. Ich war mein ganzes Leben lang traurig.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Weil Er am Kreuze starb.«
    »Das ist ein guter Grund, um traurig zu sein. Trauert Ihr vielleicht auch um andere, die getötet wurden?«
    Der Mönch sah ihn an, antwortete aber nicht.
    »Erinnert Ihr Euch an Toledo?«
    »Toledo, ja...«
    »Erinnert Ihr Euch an die plaza mayor? Die Kathedrale? Das Hochufer am Fluß?«
    Bonestruca sah ihn schweigend an.
    »Erinnert Ihr Euch, daß Ihr eines Nachts ausgeritten seid?«
    Schweigen.
    »Erinnert Ihr Euch, daß Ihr eines Nachts ausgeritten seid?« wiederholte Jona. »Und mit wem?«
    Bonestruca sah ihn an.
    »Wer war Euer Begleiter in dieser Nacht?«
    Alles war still im Zimmer. Die Zeit verging.
    »Tapia«, sagte Bonestruca.
    Jona hatte den Namen deutlich gehört. »Tapia?« fragte er, aber Bonestruca versank wieder in Schweigen.
    »Erinnert Ihr Euch an den Jungen, der das Ziborium zur Abtei brachte? Der Junge, der in den Olivenhain verschleppt und dort getötet wurde?«
    Bonestruca wandte

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