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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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würde.
    Er reichte den halben Laib Brot durch das Gitter; um ihn entgegenzunehmen, mußte Bonestruca die beiden Käse von der rechten in die linke Hand nehmen, und dabei fiel ihm einer zu Boden. Der zerlumpte Mann griff sofort danach, während ein nackter Junge Bonestruca das Brot aus der Hand riß. Nun faßten viele Hände nach dem Jungen; die Menge der Leiber wogte und zappelte, und Jona mußte an einen Fischschwarm im Meer denken, der sich wie rasend auf seine Beute stürzte.
    Eine kahlköpfige alte Frau warf sich gegen das Gitter und griff mit dürrer Klaue nach Jonas Arm auf der Suche nach Essen, das er nicht mehr hatte. Und während der zurücksprang, um sich zu befreien, um dem Gestank und dem Grauen dieses verfluchten Ortes zu entfliehen, sah er, daß Bonestruca mit mächtiger Faust um sich schlug, bis der bucklige Mann alleine dastand, den Mund aufgerissen zu einem Schrei wölfischer Verzweiflung, halb Heulen und halb Brüllen, einem Schrei, der noch lange in Jonas Ohren widerhallte.
    Er ritt zu der finca am Fluß und zwang sich dazu, Maria Juana seine Befürchtung mitzuteilen, daß Bonestrucas Wahnsinn sich eher verschlimmern als bessern würde. Sie hörte ihm tränenlos zu, hatte sie doch diese Nachricht zwar befürchtet, aber auch erwartet.
    »Drei Männer der Kirche waren hier. Sie wollen mich und meine Kinder heute nachmittag abholen. Sie haben versprochen, uns in einen Konvent und nicht ins Armenhaus zu bringen.«
    »Es tut mir leid, Señora.«
    »Kennt Ihr vielleicht ein Haus hier in der Nähe, wo eine Haushälterin gebraucht wird? Ich scheue harte Arbeit nicht. Die Kinder essen sehr wenig.«
    Ihm fiel nur sein eigenes Haus ein. Er stellte sich vor, wie es wäre, mit ihnen zu leben, sein Leben dieser armen, unglücklichen Frau und diesen armen, unglücklichen Kindern zu widmen und zuzusehen, wie die Zeit die Wunden heilte. Aber er wußte, daß er nicht gut genug, nicht stark genug, nicht selbstlos genug für eine solche Geste war.
    So verbannte er diese Vorstellung aus seinem Kopf und dachte statt dessen an Bonestrucas Sammlung von jüdischen Dingen. Die Gebetsriemen. Die Tora! »Seid Ihr vielleicht bereit, mir einige Dinge aus Bonestrucas Besitz zu verkaufen?«
    »Als die Männer heute morgen kamen, haben sie alles mitgenommen.« Sie führte ihn ins Nachbarzimmer. »Seht Ihr?«
    Von all den Dingen waren nur noch das schlichte Damebrett und die kleinen Steine, die als Spielfiguren dienten, übrig. Sogar das Buch mit Dantes Gedicht hatten sie mitgenommen, aber zu hastig, denn unter dem Spielbrett fand er noch einige lose Blätter. Er nahm sie zur Hand und las die oberste Seite, die, wie er schnell erkannte, eine Beschreibung der Hölle enthielt:
    Von hier aus hörten wir im anderen Graben ein schnaubend Volk sich selbst mit Händen schlagend, das drangvoll stöhnt und hockt in seinem Jammer. Die Wände waren teigig überkrustet von einem schimmeligen Niederschlag des dicken Dunstes, ein Schreck für Aug und Nase. Der Grund so finster, daß das Auge nichts erkennt, es sei denn von dem höchsten Punkt des Brückenbogens senkrecht überm Pfuhl. Wir kamen hin. Von dort aus sah ich Menschen, im Graben unten eingetaucht in Kot, der wie ein Abfluß von Kloaken war. Indes ich mit den Augen drunten suchte, ersah ich einen, dessen Kopf so dreckig, daß Laie oder Klerus eines war...
    Jona begriff plötzlich, daß keine Strafe, die Gott oder Mensch ersinnen mochten, schlimmer sein konnte als das Leben, das Lorenzo de Bonestruca jetzt erwartete. Vom Grauen gepackt, nahm er das Damespiel entgegen, das sie ihm in die Hände gab. Dann schüttete er alles Gold und Silber aus seiner Börse auf den Tisch, gab die Frau und ihre Kinder der Obhut Gottes anheim und ritt davon.

9. Der Ritt nach Huesca
    F iebererkrankungen waren immer ein Problem, aber gegen Ende des Winters hielt Jona vor allem ein gehäuftes Auftreten von fiebrigem Husten auf Trab. Die Hausbesuche glichen sich:
    »Señor Callicó, mir tun alle Knochen weh (Husten)...
    Der Soor ist so schlimm, daß ich nicht schlucken kann... die Schmerzen (Husten).«
    »Manchmal ist es, als würde ich brennen, und dann zittere ich wieder vor Kälte (Husten).«
    Ein alter Mann, ein Knabe, zwei alte Frauen und ein Kind starben. Für Jona war es schrecklich, daß er sie nicht retten konnte, aber dann hörte er wieder Nuño sagen, er solle sich um die Lebenden kümmern. Er ging von Haus zu Haus und verschrieb warme Getränke, erhitzten Wein mit Honig. Und Theriak gegen das

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