Der Medicus von Saragossa
Brot, hartgekochte Eier, Knoblauchpaste, einen halben gelben Käse, Zwiebeln und winzige, köstliche Oliven.
Sie tranken beide einige Becher des Weins, den er mitgebracht hatte, und nach einer Weile verabschiedete er sich. Draußen hoben die Männer eben einen neuen Baumstamm in die Grube.
»Einen guten Nachmittag«, sagte Jona. Der Jüngere antwortete nicht, aber der Mann namens Álvaro nickte, während er zur Säge griff.
Jona wußte, daß das Pessach-Fest bevorstand, nur nicht genau wann, und so stürzte er sich in den Frühjahrsputz – er wischte und schrubbte, öffnete alle Fenster, um die frische, kühle Luft hereinzulassen, klopfte und lüftete die Teppiche und schnitt frische Binsen, die er auf den Steinboden streute. Er nutzte sein Alleinsein, um so etwas wie ungesäuertes Brot herzustellen, das er in ungleichen Fladen auf einem Blech über dem Feuer buk. Das Ergebnis war ein bißchen verbrannt und etwas weicher, als es sein sollte, aber es waren eindeutig Matzen, und er aß sie triumphierend zu seinem Ein-Mann-Sedermahl, Lammkeule mit bitteren Kräutern, die ihn an die Leiden der Kinder Israels auf der Flucht nach Ägypten erinnern sollten.
»Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte?« fragte er das stille Haus, aber es kam keine Antwort, nur Schweigen, das bitterer war als die Kräuter. Weil er sich des genauen Tages nicht sicher war, feierte er Seder an jedem Abend der Woche, und dreimal ließ er sich das Lammfleisch schmecken, bevor es schlecht wurde, und vergrub es dann im Obstgarten auf dem Hügel.
Einige Tage lang sah es so aus, als hätte der Winter sich verabschiedet, aber dann kehrte er mit Kälte und Regen zurück und verwandelte die Straßen in Ströme aus tiefem, kaltem Schlamm. Stundenlang saß er an seinem Tisch und hing seinen Gedanken nach. Er war ein wohlhabender Mann, ein geachteter Arzt, der in einem soliden Steinhaus lebte, umgeben von gutem Land, das ihm gehörte. Und doch schien er manchmal in schlaflosen Nächten die Stimme seines Vaters zu hören, die ihm sanft, aber doch lauter als das schrille Heulen des Regenwindes sagte, daß er nur zum Teil lebendig sei.
Er sehnte sich nach etwas Namenlosem, etwas, das er nicht benennen konnte. Wenn er schlief, träumte er von den Toten oder von Frauen, die seinem schlafenden Körper den Samen entzogen. Manchmal war er überzeugt, daß er so verrückt werden würde wie der Mönch, und als schließlich die warmen und sonnigen Tage anbrachen, betrachtete er die neue Jahreszeit mit Argwohn, denn er konnte nicht glauben, daß das schlechte Wetter wirklich vergangen war.
Es war ein Glück, daß die Fiebererkrankungen nicht zurückkehrten, denn in einem Gespräch mit Fray Luis Guerra Medina erfuhr er, daß es im ganzen Bezirk keinen Theriak mehr zu kaufen gab. Theriak war eine hervorragende Arznei gegen Fieber und das beste Mittel gegen alle Krankheiten des Magens und der Verdauungsorgane, sogar gegen solche, die durch Vergiftungen hervorgerufen wurden. Aber er war schwer herzustellen und teuer, weil der beste Theriak aus siebzig verschiedenen Kräutern bestand. Und schlimmer noch, er war rar.
»Wie können wir mehr bekommen?« fragte er Fray Medina. »Ich weiß es nicht«, antwortete der alte Franziskaner besorgt.
»In guter Qualität bekommt man ihn nur von der Familie Aurelio in Huesca. Bis jetzt bin ich jedes Jahr selbst nach Huesca gereist, um von den Aurelios Theriak zu kaufen. Aber es ist ein fünftägiger Ritt, und ich bin zu alt. Ich schaffe es nicht mehr.«
Jona zuckte die Achseln. »Dann schicken wir eben einen Reiter.«
»Nein. Wenn ich jemanden schicke, der sich mit Theriak nicht auskennt, geben sie ihm eine Mischung, die als Medizin nichts mehr taugt, weil sie Jahre alt ist. Er muß von jemandem gekauft werden, den sie achten, weil er weiß, wie guter Theriak aussehen und beschaffen sein muß. Er muß frisch gemischt werden, und wir benötigen eine Menge, die mindestens ein Jahr reicht.«
Jona war sein Haus zum Gefängnis geworden, und hier ergab sich eine Möglichkeit zur Flucht.
»Nun gut. Dann reite ich nach Huesca«, sagte er.
Ärzte in den umliegenden Gemeinden – Miguel de Montenegro und ein anderer Arzt namens Pedro Palma, für den Montenegro sich verbürgte – versprachen, sich um Señor Callicós Patienten zu kümmern, nicht zuletzt auch, weil sie wußten, daß der Theriak, den er kaufen wollte, auch ihnen und ihren Patienten zugute kommen würde. Er nahm den grauen Araber und ein einzelnes
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