Der Medicus von Saragossa
Maultier. Wie gewöhnlich hellte seine Stimmung sich auf, kaum daß er im Sattel saß. Das Wetter war gut, und er hätte durchaus schneller vorwärts kommen können, aber der Araber wurde langsam alt, und er wollte das Tier schonen, weil ihm Eile unnötig erschien. Der Weg war nicht schwierig. Im Vorgebirge gab es Täler mit Weiden, auf denen Rinder und Schafe grasten, und kleine Höfe, wo Schweine in Äckern wühlten, auf denen bald Getreide oder Gemüse wachsen würde. Für sein Nachtlager wählte er sich immer ein schönes Fleckchen. Aus den Hügeln wurden bald kleinere Berge und dann größere.
In Huesca angekommen, suchte er sofort nach dem Anwesen der Familie Aurelio. Sie betrieben ihr Geschäft in einer umgebauten Scheune, in der es nach einer Vielzahl von Kräutern duftete. Drei Männer und eine Frau waren damit beschäftigt, die getrockneten Pflanzen zu pulversieren und zu mischen. Der Kräutermeister, Reinaldo Aurelio, war ein freundlicher, scharfsinniger Mann in einer groben Lederschürze voller Pflanzenstaub.
»Und was kann ich für den Señor tun?«
»Ich brauche Theriak. Ich bin Ramón Callicó, der Medicus von Saragossa. Und kaufe im Auftrag von Fray Luis Guerra Medina von Saragossa.«
»Oh, für Fray Luis. Aber warum kommt er nicht selbst? Wie steht es um seine Gesundheit?«
»Er ist bei guter Gesundheit, aber er wird langsam alt, und deshalb hat er mich geschickt.«
»Aber natürlich haben wir Theriak für Euch, Señor Callicó.« Er ging zu einem Regal und öffnete einen hölzernen Behälter.
»Darf ich ihn sehen?« fragte Jona. Er zerbröselte eine Prise zwischen den Fingern, schnupperte daran und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er leise. »Wenn ich Fray Luis dies bringe, kastriert er mich, und zwar mit Recht.«
Der Kräutermeister lächelte. »Fray Luis ist höchst anspruchsvoll.«
»Wofür wir Ärzte ihm dankbar sind. Ich brauche eine große Menge frischen Theriak, so viel, daß Fray Luis alle Ärzte in der Umgebung von Saragossa damit versorgen kann.«
Señor Aurelio nickte. »Das ist zu machen, aber wir brauchen natürlich einige Zeit, um so viel frischen Theriak herzustellen.«
»Wie lange?«
»Mindestens zehn Tage. Vielleicht ein bißchen länger.«
Jona hatte gar keine andere Wahl, als damit einverstanden zu sein. Und eigentlich mißfiel ihm diese Verzögerung durchaus nicht, denn so hatte er Zeit, die Pyrenäen zu erkunden. Sie berechneten, was die Kräuter kosten würden, und er zahlte im voraus. Fray Luis hatte gesagt, daß man sich auf das Wort der Aurelios verlassen könnte, und Jona wollte sich auf dem Ausflug nicht mit Gold belasten. Der Kräutermeister gestattete ihm, sein Maultier während der Zeit unterzustellen, und Jona versprach, mindestens vierzehn Tage fortzubleiben, so daß sie genügend Zeit für ihre Arbeit hätten.
Er ritt genau nach Norden, wieder durch ein Vorgebirge. Er hatte gehört, daß sich zwischen Huesca und der Grenze zu Frankreich die Berge so steil erhoben, daß sie den Himmel zu berühren schienen. Und wirklich sah er schon nach kurzer Zeit Berge, einige davon mit schneebedeckten Gipfeln. In einer üppig blühenden Frühlingswiese entdeckte er einen Bach voller winziger, leuchtendbunter Forellen. Schnell zog er eine Schnur mit Haken aus seiner Tasche und eine kleine Blechbüchse mit Würmern aus seinem Misthaufen zu Hause. Die Fische bissen bereitwillig an, und viel zu schnell hatte er ein Essen beisammen. Jede Forelle war nicht mehr als ein Happen, aber sie waren schnell ausgenommen, und er spießte sie auf einen grünen Zweig, briet sie über einem kleinen Feuer und ließ sich dann das Fleisch samt den geschmolzenen Gräten schmecken.
Eine Weile ließ er sein Pferd noch in der üppigen Wiese grasen und folgte dann dem Pfad in die Berge. Die unteren Regionen waren dicht mit Buchen, Kastanien und Eichen bestanden, die nach einer Weile von Fichten und Kiefern abgelöst wurden. In größerer Höhe, das wußte er, würde der Baumbestand immer dünner werden und ganz verschwinden, bis schließlich nur noch spärlicher Niederwuchs den felsigen Boden bedeckte. Die warme Sonne schickte Schmelzwasser plätschernd und rauschend zu Tal, ein Bach war zu einem tosenden, reißenden Fluß angeschwollen.
Am Nachmittag sah er in einem Fichtenwäldchen seinen ersten Schnee. Die Spuren eines Bären zeichneten sich darin so deutlich und scharf umrissen ab, daß sie nur frisch sein konnten. Die Luft war kühler hier, und die Nacht würde kalt sein; da Jona
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