Der Medicus von Saragossa
vor ihnen liege, Bergführer gebe, Konvertiten wie sie selbst, die sie gegen Bezahlung über die Berge bringen würden. Falls es mit den Wagen nicht zu schaffen sei, sagten sie, würden sie ihren wertvollsten Besitz auf Maultieren nach Frankreich bringen. Und so hatte sich die Wagenkolonne auf den Weg nach Jaca gemacht.
»Wie habt ihr dieses Tal gefunden?« fragte Jona.
Benzaquen lächelte. »Durch Zufall.«
Auf den langen, bewaldeten Berghängen waren Lagerplätze für eine so große Gruppe immer schwer zu finden. Oft schliefen die Reisenden in ihren Wagen, die sie in langer Reihe entlang des Pfades aufstellten. In einer solchen Nacht hatte sich, während sie schliefen, eins von Benzaquens Zugpferden – ein wertvolles und dringend benötigtes Tier – losgerissen und aus dem Staub gemacht. »Als wir im ersten Morgenlicht sein Fehlen entdeckten, machte ich mich mit vier Männern sofort auf die Suche, nicht ohne das Vieh zu verfluchen.«
Plattgedrücktem Strauchwerk und abgebrochenen Ästen, gelegentlichen Hufspuren und Kothaufen folgend, stießen die Männer auf einen natürlichen Felspfad, der an einem rauschenden Bach in die Tiefe führte. Als sie schließlich aus dem Wald heraustraten, sahen sie das Pferd auf der fetten Weide eines kleinen, versteckten Tals grasen.
»Wir waren sofort beeindruckt von dem guten Wasser und dem saftigen Gras. Wir kehrten zur Karawane zurück und führten die anderen zu dem Tal, weil es einen sicheren und geschützten Rastplatz bot. Den natürlichen Pfad mußten wir nur an zwei Stellen etwas verbreitern und ein paar große Felsen aus dem Weg räumen, und dann konnten wir die Wagen in das Tal bringen. Zuerst wollten wir nur vier oder fünf Tage bleiben, damit Menschen und Tiere sich ausruhen und neue Kraft schöpfen konnten.«
Aber alle seien beeindruckt gewesen von der Schönheit des Tals und der offensichtlichen Fruchtbarkeit des Bodens, sagte er. Natürlich war den Reisenden auch nicht entgangen, wie wunderbar abgelegen dieser Ort war. Nach Osten waren es zwei schwierige Tagesreisen bis zum nächsten Dorf, Jaca, das selbst eine einsame, nur von wenigen Reisenden besuchte Gemeinde war. Und nach Südosten waren es drei ähnlich schwierige Tagesreisen bis zur nächsten Stadt, Huesca. Einigen der Neuen Christen ging auf, daß Menschen hier in Frieden leben konnten, ohne je einen Inquisitor oder einen Soldaten zu sehen. Und so kamen sie auf den Gedanken, daß sie vielleicht gar nicht weiterreisen, sondern in dem Tal bleiben und es sich zur Heimat machen sollten.
»Aber nicht alle waren dieser Meinung«, sagte Benzaquen. »Nach langem Hin und Her beschlossen siebzehn von den sechsundzwanzig Familien, die Pamplona verlassen hatten, in dem Tal zu bleiben. Alle halfen zusammen, um die neun Familien, die nach Toulouse wollten, wieder auf den Weg zu bringen. Es dauerte den ganzen Vormittag und einen Großteil des Nachmittags, bis ihre Wagen wieder hoch zum Weg geschafft waren. Nach Umarmungen und einigen Tränen verschwanden sie über den Berg, und diejenigen von uns, die nicht mit ihnen gehen wollten, kehrten in das Tal zurück.«
Unter den Siedlern waren vier Familien, die ihren Lebensunterhalt als Bauern verdient hatten. Bei den Planungen der Reisen von Granada nach Pamplona und dann nach Toulouse hatten die Bauern beschämt zurückstehen und alle Vorbereitungen und Entscheidungen den Händlern überlassen müssen, deren Reiseerfahrung und Weltklugheit der Gruppe allerdings gut zustatten gekommen war.
Jetzt aber wurden die Bauern zu den Anführern der Siedlung, sie erkundeten und parzellierten das Tal und bestimmten, was angebaut werden sollte und wo. Überall im Tal wuchs fettes, gesundes Gras, und von Anfang an erhielt der Ort den Namen Pradogrande, Bergwiese.
Gemeinsam unterteilten die Männer jeder Familie das Tal in siebzehn gleichwertige Grundstücke, gaben jeder Parzelle eine Nummer und zogen dann die Nummern aus einem Hut, um das Los über die Besitzverhältnisse entscheiden zu lassen. Man kam überein, Aussaat und Ernte gemeinsam zu erledigen und die Reihenfolge, in der die Parzellen bearbeitet wurden, jedes Jahr zu ändern, so daß kein Besitzer einen dauerhaften Vorteil erhielt. Die vier Bauern schlugen vor, wo die Häuser errichtet werden sollten, um Sonne und Schatten zu nutzen und vor den Elementen geschützt zu sein. Die fincas wurden eine nach der anderen errichtet, alle in gemeinsamer Arbeit. Auf den Berghängen gab es genügend Steine, und daraus entstanden
Weitere Kostenlose Bücher